Ceci n'est pas un actionfilm. Sieht
natürlich zunächst danach aus, treibende Musik eines Don Costa,
die nicht anders klingt als der Durchschnitt guter Filmmusik aus er Zeit,
dazu the streets of Manhattan, wenngleich gedreht in LA. Vielleicht ist das
ganz emblematisch für Siegel: Ein Fremder in Hollywood, der aber noch
die Fremde in Hollywood mit den Mitteln Hollywoods inszenieren muss und diese
Mittel darum, als wieder erkennbare, infiziert mit einer Fremde, die ihre
Abweichung und Fremdheit dem Spielraum des Abweichens verdankt, den dann
auch noch Hollywood vorgibt oder eher: Siegels perfektes Handwerk. Das so
perfekt ist, dass es über das Gekonnte hinausschießt als
Souveränität, die sich Dinge leistet, die nicht im Buch stehen.
Die Desorientierung des Beginns etwa, in dem ein Treppenhaus in beinahe abstrakte
Aufnahmen zerlegt wird: Lichtschlitze, Holzpaneele. Bis der Sinn wiederkehrt
und das verkantete Holz an Holz zu einer Wand wird und einer Tür, die
der Polizist aufsprengt, der Polizist Madigan, Dan Madigan. Damit öffnet
sich die Tür in einen Plot, der die Regeln des Actionfilms nimmt, um
ihnen nicht zu gehorchen.
Passagenweise durchaus. Aber in dieser Passagenweise auch wieder:
durchaus nicht. Verfolgungen in den Straßen Manhattans am Musikpuls,
Dynamik des wunderbar trockenen Schnitts des Schnittmeisters Siegel, der
nie virtuos ist, der aber, könnte man sagen, über alles Virtuose
hinaus ist und zurückgekehrt in eine Trockenheit, die wie die des
bloßen Handwerks aussehen mag, aber nur auf den ersten und man muss
sagen: nichts als die Oberfläche abtastenden Blick. Siegel als Virtuose,
der alles Beeindrucken-Wollen hinter sich hat und nun die Mittel, die ihm
zur Verfügung stehen, nutzt, um eine Scharade der Konventionen zu
inszenieren. Das Buch, an dem Abraham Polonsky entscheidenden Anteil hat,
geht ihm dabei zur Hand, in seinem störrischen Beharren, der
Außenseite, die nach Actionfilm aussieht, eine Innenseite einzunähen,
die alles ist, nur nicht das.
Stattdessen: Beziehungsprobleme, Moralprobleme, Rassenprobleme.
Moralisches überall. Too much, natürlich. Entscheidungssituationen.
Freundschaft und Pflichtgefühl. Liebe und Sex. Die Ehefrau, die
Sängerin. Schöne Schnittfolge: Madigan, der Polizist, im Club,
sein Blick auf die Sängerin, mit der er etwas hatte, einst, die er nicht
liebt, die er noch liebt, der Blick durch einen Glasperlenvorhang. Und ihr
Blick auf ihn, durch einen Glasperlenvorhang. Hin und her, dann die Close
Ups ohne Vorhang. Sie wollen zueinander und können nicht. Und seine
Frau auf dem Ball der Polizisten, die er in die Arme eines Kollegen geradezu
wirft, weil es Wichtigeres gibt, die Suche nach dem Mörder und seinen
Job. Und sie schreckt dann, im letzten Moment zurück, weil die Moral
in ihr steckt wie in diesem Film, der deswegen kein schlechter ist. Der seine
Dialogstrecken nützt, um auf hohem Niveau zu verhandeln, was Sache eines
solchen Films nicht sein sollte. Oder die Episode mit dem heruntergekommenen
Ex-Boxer, der Madigan nur ruft, weil er mal wieder mit einem Menschen reden
will. Und Madigan, der, obwohl unter Zeitdruck gesetzt, nicht wütend
wird, sondern dem Kerl, der ihn in die Irre geführt hat, einen Schnaps
ausgibt, trotz allem. Die Fremde in Hollywood, ein Vorgeschmack auf New
Hollywood, aber im Genremantel. Man wird von Siegel gelernt haben können.
Und zwar nur Gutes.
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