"Eine verliebte Ärztin spielt Traumdetektivin", damit ist der
Inhalt von Ich kämpfe um dich - nebenbei: vom Mörder selbst
- treffend formuliert. Alle vier Elemente des Satzes werden etwas schematisch,
in ihrer Kombination aber letztlich sehr reizvoll entwickelt. Dr. Constance
Peterson (Ingrid Bergman) verkörpert, zunächst, die medizinische
Ratio mit sorgfältig zusammengestecktem Haar und dunkler Brille. Sie
beschäftigt sich mit den Abgründen der Psyche, ist selbst aber
die Vernunft in Person. Der Film vollzieht also eine Erziehungsmaßnahme,
er tut das rasch, in Gestalt von Dr. Edwardes (Gregory Peck), der nicht Dr.
Edwardes ist - aber um beide ist es schon in der ersten Einstellung
Großaufnahme gegen Großaufnahme vor Geigenhintergrund geschehen.
Ingrid Bergman löst schon beim ersten gemeinsamen Spaziergang die Haare,
ihre Erkenntnis, dass mit Dr. Edwards etwas nicht stimmt, weckt nicht nur
ihre traumdetektivischen, sondern auch ihre Schutzinstinkte.
Die Psychoanalyse, die hier Anlass zu viel dummem Gerede ist, nimmt
man am besten als multifunktionales Requisit. Einerseits ermöglicht
sie in der Verschränkung von Amnesie und Therapieanstrengung eine
interessante Liebesbeziehung, in der sich Constance in liebende Frau
und zugleich duldende und fordernde Analytikerin aufspaltet, während
John Ballantine mal dankbar, mal gefährlich, von einer Sekunde auf die
andere verwandelt scheint. Andererseits wird die Psychoanalyse aber auch
ins Krimigenre eingespeist: die Spuren, die die Analytikerin als Detektivin
sammelt, hat sie nicht in der Außenwelt aufzusuchen, sondern im blockierten
Inneren des Patienten, der ihr Liebhaber ist. Kein Wunder, dass Hitchcock,
dem es immer und zuerst um Visualisierungen geht, bis in Ballantines Traum
vordringt, den ihm Dalí in seinen Requisiten entworfen hat, in dem
jedoch, natürlich, die Hitchcock-Kamera unterwegs ist - kein Wunder
auch, dass man dabei an David Lynch denken muss.
Der Wahnsinn sitzt, abgesehen von diesem Traum, bestenfalls im Detail
- Hitchcock ist dabei immer wieder in Experimentierlaune: am berühmtesten
und eindrücklichsten die subjektive Kamera, die den Blick des Mörders
blickt, der den Revolver langsam auf sich selbst wendet und dann, ins Gesicht
des Betrachters hinein, abdrückt. Präfiguriert wird dieser Blick
- in Form, könnte man sagen, eher eines Comic Relief - durch
Ballantines subjektive Perspektive in ein Milchglas hinein, die auf eine
Milch-Weißblende hinausläuft. Die Parallele ist hier dieselbe:
man hat sich Ballantine als in diesem Moment per Schlafmittel weggeblendeten,
umgekippten vorzustellen. Eine Vorstellung, die Hitchcock ins Gesicht des
Betrachters hinein zur Darstellung macht.
Von bewunderswerter Dreistigkeit in der Bildung einer visuellen Metapher
ist die Überblendung des ersten Kusses von Ballantine und Bergman mit
einem Flur sich nach und nach von Geisterhand öffnender Türen.
Die Metapher projiziert die Zukunft auf diesen ihren auslösenden Moment,
eine Verdichtung, die methodisch den von der Psychoanalyse behaupteten
Traumverfahren nahe steht. ( Es ist die Schwäche des Films, dass in
den Dialogen alles auch noch mal wörtlich eingeholt werden muss: "Man
steht vor einer verschlossenen Tür" heißt es und "Wir müssen
diese Tür öffnen.") Eine ähnliche Verschiebung gibt es an
einer kurz darauf folgenden Stelle. Ballantine sagt: "Ich blicke in den Spiegel
und sehe mich nicht". Kurz darauf fasst Hitchcock Gregory Peck tatsächlich
in einen - geradezu tonnoartig inszenierten - Spiegel. Natürlich sieht
er sich: gleich doppelt wird die am Ende des Films erzielte Heilung also
im voraus verkündet. Ich kämpfe um dich ist keiner der Filme
Hitchcocks, die sich auf den ersten Blick (zu) erschließen (scheinen)
- umso mehr lohnt er einen zweiten.
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