Die Notwendigkeit zur Simplifizierung von Geschichte
durch Personalisierung ist ein Problem aller Versuche fiktionaler Darstellungen
(und auch historiografischer Darstellungen in erzählender Manier) von
historischen Ereignissen. Exemplarisch schauderhaft wird das gerade von
Enemy at the Gates vorgeführt, exemplarisch gelungen ist es hingegen
in Roger Donaldsons Thirteen Days. Freilich kommt die Geschichte,
die er hier erzählt, der Zuspitzung auf die handelnden Personen recht
weit entgegen. Während jede Analyse der Vorgänge natürlich
sehr viel weiter ausholen müsste, verzerrt die gewählte Perspektive
auf den inneren Kreis der Macht in der Kubakrise die Vorgänge zwar auch,
aber in vertretbarem Maß.
Geschickt ist der Schachzug, eine quasi-fiktive Reflektorfigur als
Kamerasonde und Stellvertreter des Zuschauers im Weißen Haus zu
implementieren. Kenny O'Donnell ist das Nadelöhr, durch das die
Berichterstattung für den Betrachter nachvollziehbar hindurchgeführt
wird, er ist Berater der anderen Figuren, er ist (durch sein Verhalten)
Kommentator des Geschehens, er ist die stellvertretend für den Zuschauer
verzweifelnde und hoffende Figur. Das exzellente Drehbuch und Kevin Costner
sorgen dafür, dass er als Dreingabe noch zum Charakter aus Fleisch und
Blut wird - und das mit sicheren Strichen, etwa durch die Einbettung in seine
Familie, aber ohne alle Mätzchen und billigen emotionalen
Manipulationsversuche.
Diese Figur nun hält den geschichtlichen Ereignissen den Rücken
frei. Die Bühne ist eröffnet für das Ensemble der (beinahe)
in der klassischen Einheit von Ort, Zeit und Handlung agierenden Hauptpersonen:
John F. Kennedy, sein Bruder Bob, Außenminister McNamara, UN-Botschafter
Stephenson und das Militär. Ohne allzugroße Konzessionen an
Dramatisierung über das allerdings weiß Gott dramatische Geschehen
hinaus folgt der Film den Ereignissen über erstaunlich viele der
tatsächlichen Eskalationen, Entspannungen und erneuten Eskalationen.
Zwar neigt Regisseur Donaldson, von dem man schon manch schlechten Film gesehen
hat, gelegentlich zu plakativen Bildern, glaubt, mit Atombombenexplosionen
beeindrucken zu müssen, statt sich voll und ganz auf das Kammerspiel
zu konzentrieren - gegen das exzellente Drehbuch hat seine Tendenz zur
Überinszenierung aber keine Chance. Die Dialoge pointieren, ohne dass
jener Anspruch auf Allgemeingültigkeit des in dieser besonderen Situation
gezeigten Verhaltens forciert würde, der sich zuletzt wie von selbst
einstellt. Ob das Porträt der Kennedys oder anderer Hauptfiguren dem
tatsächlichen Geschehen und dem tatsächlichen Verhalten entspricht,
wird darüber zweitrangig. Dass Menschen sich unter den gegebenen
Umständen so verhalten, hat seine interne, wenn man mag, auch:
psychologische, Glaubwürdigkeit. In der Verknüpfung von
Exemplarität und Individuierung liegt das Gelingen des klassischen
Historiendramas. Thrirteen Days zeigt, wie man das auch angesichts
des Nivellierungs- und Emotionalisierungsdrucks, der Hollywoods inneres Gesetz
ist, hinbekommt. Kein Meisterwerk, aber ein Film, der weit über den
Durchschnitt hinausragt.
Jump Cut
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