Dem Trash etwas entgegensetzen
Kritikerlob und Auszeichnungen hat der in Köln lebende
Schauspieler Daniel Brühl (23) mit seinen jüngsten Kinofilmen reichlich
eingeheimst - nun zieht es ihn nach Hollywood. Rico Pfirstinger unterhielt
sich mit dem frisch gebackenen Bayerischen Filmpreisträger über
Wahnsinn, Flops und Prominenz und seinen aktuellen Film "Das weiße
Rauschen".
Frage: Daniel, "Das weiße Rauschen" ist
eine schauspielerische Tour de Force, und Hochschul-Abschlussfilm werden
mies bezahlt. Warum hast du dir die Rolle eines an Schizophrenie erkrankten
Menschen trotzdem angetan?
Daniel Brühl: Gewisse Rollen spielt ein
bestimmter Schlag von Schauspielern einfach ganz gerne. Ich habe zum Beispiel
gerade erst einen Boxer gespielt - in "Elefantenherz", einem Film, der in
einigen Monaten ins Kino kommt. Für diese Rolle habe ich gut vier Monate
lang täglich fünf Stunden trainiert und dabei etwa fünf Kilo
Muskelmasse zugelegt - für insgesamt drei Szenen. Irgendwie erschreckend.
(lacht) Bei "Das weiße Rauschen" dachte ich zuerst: Super, ich spiele
einen Wahnsinnigen, da kann ich mich jetzt richtig austoben. Auf der anderen
Seite hatte ich aber auch Schiss, dass ich die Rolle nicht gut spielen
würde.
Frage: Eine Sorge, die am Ende unbegründet
war.
Brühl: Weil ich jemand kennen gelernt habe,
der von der Krankheit selbst betroffen ist. Und weil ich beim Spielen meinen
eigenen Wahnsinn herausgekitzelt habe. Für diesen Film habe ich mein
Privatleben erstmals völlig zurückgestellt. Ich habe nur noch
gearbeitet und geschlafen. Normalerweise geht man nach Drehschluss ja auch
mal ein Bierchen trinken. Diesmal nicht.
Frage: Was hast du dabei gelernt?
Brühl: Diese Krankheit ist so kompliziert und so verworren, dass
man sich auch als Schauspieler nicht vollständig in die Person
hineinversetzen kann. Ich hatte vorher, wie wohl die meisten, nur eine recht
vage Vorstellung davon, was Schizophrenie bedeutet.
Frage: Das hat sich durch den Film gründlich
geändert?
Brühl: Ja, durch den engen Kontakt mit dem Betroffenen, der mir
das sehr anschaulich erklären konnte. Außerdem habe ich Anstalten
besucht, sehr viel gelesen und mir Filme angesehen.
Frage: Noch bis vor kurzem gab es doch gar keine
Filme, die diese Krankheit angemessen darstellen.
Brühl: Deswegen haben wir "Das weiße
Rauschen" ja gemacht. (grinst) Nein, ich dachte bei der Vorbereitung eigentlich
eher an Filme wie "Taxi Driver" - das geht zwar in eine andere Richtung,
bringt einen aber in die richtige Stimmung.
Frage: Bei den Dreharbeiten wurde mit kleinen
digitalen Videokameras gearbeitet und viel improvisiert...
Brühl: Das war eine tolle Erfahrung. Es
gab kaum Wartezeiten, weil wir von der sonst üblichen Technik
unabhängig waren. Bei normalen Dreharbeiten muss man sich zur Ruhe ermahnen.
Und wenn man dann endlich an dem Punkt ist, wo man perfekt spielen könnte,
wird gerade eine Stunde lang das Licht umgebaut, oder es ist ein Fussel in
der Kamera. Bei meinem letzten Dreh...
Frage: ...dem Kinofilm "Goodbye, Lenin!" von
Wolfgang Becker...
Brühl: ...ist mir aufgefallen, dass ich
in meinem Verhalten noch professioneller werden könnte. Wir hatten viele
Pannen, für die niemand etwas konnte. Da bin ich leider einer, der sehr
schnell nervös und angespannt wird.
Frage: Du bist ganz offenbar ein
Überzeugungstäter. Da muss es doch besonders schmerzen, wenn alle
Welt in "Harry Potter" rennt, während ein anderer preisgekrönter
Film mit dir, nämlich das Jugenddrama "Nichts bereuen", an der Kinokasse
sang und klanglos untergeht?
Brühl: Ja, das fuchst sicherlich, und ich
habe mich darüber auch schon genug aufgeregt. Ich mache aber lieber
einen guten Film, in den weniger Leute gehen als einen schlechten, in den
sehr viele gehen. Das Ideal wäre natürlich ein guter Film, der
trotzdem Kasse macht.
Frage: Woran lag es bei "Nichts bereuen"?
Brühl: Das weiß ich selber nicht
genau. Vielleicht wurde der Film mit zu vielen Kopien gestartet. Bei der
großen Masse - vor allem in den Multiplexkinos auf dem Land - kommt
der Film nicht an. Die Kiddies wissen ganz genau: Das ist kein Hochglanzfilm.
Die lassen sich da nicht verarschen. Es ist kein Schenkelklopferfilm, also
gehen sie halt lieber in "American Pie 2" oder in "Harry Potter".
Frage: "American Pie 2" wäre demnach nichts
für dich? Für den Bekanntheitsgrad und die Karriereplanung wäre
ein Film mit großem Publikum nicht ungeschickt.
Brühl: Ich bleibe lieber meiner Linie treu.
Ich sehe mich nicht in Filmen wie "Harte Jungs" oder "Der Schuh des Manitu".
Dann schon eher in "Das Experiment" oder "Lola rennt" - in solchen
Glücksfällen eben, die man nicht erzwingen kann.
Frage: Prominenz genießt in Deutschland
durch "Big Brother" oder "Bro'Sis" einen zunehmend zweifelhaften Ruf.
Brühl: Zuhause habe ich die Glotze praktisch
abgeschafft, weil ich das wirklich nicht ertragen kann. Es ist einfach zu
blöde, und es wird mit jedem Tag schlimmer: diese künstlichen
Starnummern und dieser Trash, der einem da an Musik zugemutet wird. Dem
möchte ich auf jeden Fall etwas entgegensetzen. Ich würde das diesen
Leuten auch gerne mal offen ins Gesicht sagen.
Frage: Das lässt sich einrichten, zum Beispiel
auf Premierenpartys. Dort geht es oft nicht um die Qualität des Films
- viel wichtiger ist, ob etwa Jenny Elvers zu den Gästen
zählt.
Brühl: Das ist auch so eine Kandidatin!
Aber es ist nicht nur in Deutschland so, das ist ein allgemeines
Phänomen.
Frage: Planst du den Sprung nach Hollywood?
Wir wissen von gewissen Reiseplänen...
Brühl: Zuallererst ist es mein Traum, in
Europa Fuß zu fassen. Ich komme ja halb aus Spanien und würde
dort gerne einen großen Kinofilm machen. In Spanien gibt es tolle
Regisseure, die aber leider auch schon, einer nach dem anderen, nach Amerika
auswandern. Klar, wenn sich in Amerika die Möglichkeit bietet, eine
kleine aber feine Rolle zu spielen: gerne!
Frage: Wie möchtest du dort konkret vorgehen?
Negativbeispiele von Gescheiterten gibt es ja reichlich...
Brühl: Es bringt nichts, dort Klinken zu
putzen. Die warten bestimmt nicht auf mich. Da muss man geduldig sein und
auf das Schicksal hoffen. Manchmal ergeben sich durch Zufälle Verbindungen,
und es gibt ja einiges an Koproduktionen zwischen Amerika und Deutschland.
Ich fühle mich da bei meiner Agentur gut aufgehoben.
Frage: Demnach wird dein Trip nach Hollywood
ein Lernbesuch?
Brühl: Mir wurde die UCLA (Universität
von Los Angeles) wärmstes empfohlen. Ich habe mir sagen lassen, dass
man dort ganz konkrete Aspekte der Schauspielerei studieren kann, zum Beispiel
psychologische Rollenentwicklung. Das interessiert mich, weil ich gerne diffizile
Charaktere spiele. Wie John Malkovich zum Beispiel.
Frage: Der sitzt allerdings in New York.
Brühl: Vielleicht führt mein Weg ja
auch über New York. Franka Potente hat dort ebenfalls studiert. Ich
wollte immer schon viel lieber in den USA oder in England lernen als in
Deutschland auf die Schauspielschule gehen.
Frage: Kommt deine Verlobte, die VIVA-Moderatorin und Schauspielerin
Jessica Schwarz, mit nach Amerika?
Brühl: Ja, wir machen das zusammen. Sie
will ja auch noch was lernen. Wir sitzen da im selben Boot.
Interview: Rico Pfirstinger (Dezember 2001)
copyright Rico Pfirstinger 2002
zur Jump Cut Startseite
|