Der klassische Slasher-Film ist ein Genre, für das seit seiner
Geburtsstunde mit Halloween (John Carpenter, 1978) sowohl auf formaler
wie inhaltlicher Ebene ein methodischer Konsens existiert. In kaum einer
anderen Gattung des B-Pictures finden sich über Jahrzehnte hinweg dieselben
Versatzstücke ohne grundsätzliche Variationen.
Zwar muss man einräumen, dass unter seinen renommiertesten Vertretern
auch eine gewisse dichterische Freiheit (sofern sich dieser Terminus auch
im Hinblick auf die septième art und erst recht den Slasher-Film
als weithin verkanntes Horror-Subgenre gebrauchen lässt) im Umgang mit
der Slasher-Konzeption besteht (so grenzt sich Wes Craven in seinem Vexierspiel
mit den Schnittstellen von Traum und Wirklichkeit in A Nightmare On Elm
Street in jedem Fall sehr deutlich von Carpenters und
Cunninghams1 Vorgaben ab), dennoch ist die Kontinuität der
Motive und filmischen Stilmittel in höchstem Maße auffällig
und nahezu impertinent.
Diese Feststellung lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass
gerade in der ständigen Wiederholung des längst Bekannten ein gewisser
Reiz liegt. (Rückschlüsse über die Zielgruppe bzw. Fangemeinde
bzw. deren recht bescheidene Rezeptionsästhetik lasse ich jetzt mal
außer acht, wenngleich sie bei einem Genre, das sich in den Jahren
vor seiner Wiedergeburt weitgehend mit Videoproduktionen über Wasser
hielt, durchaus berechtigt sind.)
In diesem Sinne ist Scream keine Ausnahme und ebenso
impertinent-banal wie die Tradition, die Wes Craven 1997 fortsetzte. Revolution
und Reminiszenz! war der Tenor populärer Filmzeitschriften und ihrer
oberflächlichen Auseinandersetzung mit der Selbstreflexivität als
konstitutivem Gestaltungsmerkmal des Films. Mit letzterem es Craven gelingt
seinen Film neben dem üblichen Handlungsschema in Meta-Ebenen anzulegen
und in einer filmischen Geste nahezu unverschämter Selbstgefälligkeit
den längst überfälligen Diskurs über die formalen und
inhaltlichen Gesetzmäßigkeiten des Genres zu lancieren - um diese
letzten Endes auf der Handlungsebene wiederum zu verifizieren.
Wenn Randy beim wiederholten Genuss des Halloween -Finales
Jamie Lee Curtis mit den Worten Look behind you! vor Michaels
drohendem Angriff warnt, während sich der maskierte Killer ihm selbst
von hinten nähert und er dabei außerdem von Gale und Kenny im
Ü-Wagen vor dem Haus in der Quasi-Live-Übertragung beobachtet wird,
die beide dem Randy auf der Mattscheibe panisch Behind you! zurufen,
so offenbart sich das selbstreflexive Moment des Films hier formal in der
Parallelführung der Handlungsstränge, die auf der Grundlage des
Films-im-Film Halloween medial übereinandergeschichtet jeweils als
kommentierende Meta-Ebenen des Geschehens fungieren und somit das der filmischen
Konzeption von Scream inhärente selbstironische Potential zur
vollen Geltung bringen. Formal kann diese Szene sicher als narrativer
Schlüssel betrachtet werden.
Den eigentlichen Diskurs bestimmt jedoch das Finale, denn hier wird
der Slasher-Film als Kommentar seiner selbst in dem wahnwitzigen
verbalen/physischen Kampf zwischen Sydney, Billy und Stew ad absurdum
geführt. Die Art und Weise, wie Craven inhaltliche und formale Ebene
der Selbstreflexion verschränkt, zeigt sich noch einmal überdeutlich
in der Auseinandersetzung der Protagonisten mit dem Medium
(Slasher-)Film:
Billy kommentiert seine Gewaltakte, indem er auf die Taten
filmhistorischer Serienkiller-Persönlichkeiten hinweist. Gemeinsam mit
Stew inszeniert er Sydneys (natürlich vereitelte) Ermordung als Film-Finale.
Als Sydney nach deren Motiv fragt, führt Billy den Verlust seiner Mutter
an, die seine Familie verließ, weil Sydneys Mutter mit seinem Vater
schlief, nennt also eine ödipale Konfliktsituation als Beweggrund für
sein Morden und bestätigt damit indirekt den puritanischen Geist eines
jeden Slasher-Killers, das Postulat der heiligen Familie als (lächerliches)
Motiv für ein killing for killings sake2, widerlegt
hingegen Stews rhetorische Frage nach dem angeblich nicht vorhandenen Motiv
Norman Bates, der jedoch als Archetyp des Serienkillers im Film durch
seine Morden versucht [...] die symbiotische Bindung über den
Tod [der Mutter] hinaus aufrechtzuerhalten und seine Mutter zu neuem Leben
zu erwecken.3 Damit hat Billy zwar dieselben archetypischen
psychischen Dispositionen, doch scheint er bei seinen Taten von Stews Hedonismus
mitgerissen und beweist damit die Unzulänglichkeit psychoanalytischer
Erklärungsmuster für ein derartiges psychotisch-sadistisches Verhalten,
potenziert durch den Konsum von Slasher-Filmen (Films dont make
psychos, they just make psychos more creative!).
Mit letztgenanntem Zitat liefert Craven seinen Beitrag zur moralischen
Debatte um filmische Gewalt und zieht die ganze Diskussion um die Psychologie
der Täter schlussendlich ins Lächerliche, als er Sydney und die
Killer die Rollen tauschen lässt, und Stew über Sydneys (deren
verzerrte Stimme nun über das Telefon als das eigentliche
Kommunikationsmedium der Killer erklingt) Triumph - das baldige Eintreffen
der (im Slasher-Film grundsätzlich machtlosen) Polizei - verzweifelt:
But my parents will never forgive me!
Dennoch wird der Zuschauer den Eindruck nicht los, Stews Ende verweise
auf einen Kausalzusammenhang zwischen seiner Rolle als zitatfreudigem
Serienmörder und dem filmischen Material, von dem er sich für seine
Taten inspirieren lässt. Wenn Sydney ihn mit dem laufenden Fernseher
(der den finalen Kampf von Halloween zeigt) erschlägt, dann scheint
es, als werde Stew am Ende von dem vernichtet, was die Genese seiner
psychotischen Persönlichkeit entscheidend mitbeeinflusst hat - die Inhalte
all der Filme, die Billy und er zitieren. Sein Tod ist die letale mediale
Rückkopplung, die Sydney - ganz slasherkonform - zum siegreichen
final girl macht und damit noch einmal die konsequente Regelkonformität
von Scream bestätigt, denn gerade sie ist es, die den Film im Kontext
eines postmodernen Kinos, das mit dem Dogma der inszenierten Identität
spielt, authentisch macht.
Hier interessiert die psychologische Dimension eines solchen
pathologischen Narzissmus, wie ihn die Killer in Scream verkörpern,
tatsächlich nicht mehr. Vielmehr geht es um sie als Vertreter einer
Generation von Filmcharakteren, deren Identität sich in der affirmativen
Wiederholung längst stereotyper Gesten bildet. Das Rollenklischee wird
zur Voraussetzung authentischer Persönlichkeit. Pulp Fiction als
initialzündendes filmisches Postulat einer solchen Charakterzeichnung
findet in Scream für die Gattung des Slasher-Movie sein kongeniales
Äquivalent.
Inwiefern Scream damit eine real existierende, kollektivpsychische
Tendenz aufgreift, die sich in dem narzisstischen Bedürfnis widerspiegelt,
in der medienvermittelte[n] Inszenierung des Authentischen [...]
Identität [zu erfahren]4 sei zunächst dahingestellt.
In diesem Rahmen ist Wes Cravens Verdienst entscheidend: Er hat den
Slasher-Film ins Kino der Postmoderne transponiert ohne ihm die genretypische
Gestalt zu nehmen.
Fußnoten:
1 Sean S. Cunningham, Regisseur des kommerziell sehr erfolgreichen
Friday, the 13th (1980)
2 Mark Whitehead, Slasher Movies, Pocket Essentials Verlag, Herts
2000.
3 Thoma David im Nachwort zu Robert Bloch, Psycho, Reclam Verlag,
Stuttgart 2000.
4 Martin Altmeyer, Big Brother und andere Inszenierungen
von postmoderner Identität, V&R Verlag, Göttingen 2000.
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