Abkehr vom Action-Genre
Die Schauspielerin Famke Janssen über Gipsbeine und Action-Filme,
den Thriller "Sag' kein Wort" sowie ein Klassentreffen namens "X-Men
2"
Vom bösen Bond-Girl Xenia Onatopp zur Superheldin à la
"X-Men": Famke Janssen (36), das ehemalige Model aus Holland, hat sich tapfer
durch den Casting-Dschungel Hollywoods gekämpft - und darf inzwischen
auch "ernsthafte" Rollen spielen. Woody Allen castete sie für "Celebrity"
- quasi ein Ritterschlag für "echte" Schauspielerei. In ihrem neuen
Thriller "Sag' kein Wort" spielt Famke Janssen nun die Mutter einer kleinen
Tochter, die Kidnappern zum Opfer fällt. Die Entführer schicken
Janssens von Michael Douglas gespielten Filmmann auf eine halsbrecherische
Mission, während sie selbst mit einem eingegipstes Bein ans Bett gefesselt
ist.
Frage: Mrs. Janssen, in "Sag' kein Wort" liegen
Sie meistens nur im Bett und nehmen allenfalls per Telefon mit der
Außenwelt Kontakt auf. Wie muss man sich das bei den Dreharbeiten
vorstellen: Ist da tatsächlich jemand am anderen Ende der Leitung?
Famke Janssen: Der Regisseur hat dafür
gesorgt, dass Sean Bean, der im Film den Entführer spielt, mit am Set
war. Sie haben ihn irgendwo mit einem Telefon und dem Drehbuch hingesetzt,
und er hat seinen Teil des Dialogs für mich gesprochen. Es hilft enorm,
wenn da ein echter Schauspieler sitzt und nicht irgendein Kerl einspringt,
der emotionslos den Text herunterleiert.
Frage: Außerdem müssen Sie sich den
ganzen Film lang mit einem Gipsbein herumschlagen.
Janssen: Ich hatte zwei unterschiedliche Modelle:
Den einen Gips konnte man einfach überstülpen, der war sehr angenehm.
Der andere ging um das ganze Bein herum und musste kompliziert verschraubt
werden. Dieses Ding war fürchterlich. Es dauerte 20 bis 30 Minuten,
den Gips anzubringen und eine weitere halbe Stunde, um mich wieder rauszuholen.
Mit diesem Klotz aufs Klo zu humpeln war gar nicht so leicht!
Frage: Demnächst stehen Sie für "X-Men
2" vor der Kamera. Was macht Ihrer Meinung nach den großen Erfolg von
Comic-Verfilmungen aus?
Janssen: Ich glaube, das Kind in uns will selber
ein Superheld sein. Das wirkliche Leben ist den meisten von uns nicht aufregend
genug. Man hätte gerne alles größer und besser. Es ist doch
aufregend sich vorzustellen, dass man fliegen kann oder dass man keine
Hände, sondern Klauen hat. Es macht Spaß, das im Kopf
auszuprobieren.
Frage: Welche übernatürlichen Kräfte
hätten Sie denn gern?
Janssen: Ich glaube, mir würde jede Form
von Begabung oder Kraft schnell langweilig werden. Ich würde sie alle
gern mal durchtesten.
Frage: Es heißt, sie hätten die weibliche
Hauptrolle in "Terminator 3" angeboten bekommen, aber dankend
abgelehnt.
Janssen: Nein, ich habe nichts angeboten
bekommen.
Frage: Wäre diese Rolle denn etwas für
Sie - oder haben Sie schon mit Ihrer Actionkarriere abgeschlossen?
Janssen: Ich glaube nicht, dass ich mitspielen
wollte. Ich habe schon genug solche Filme gemacht. Das soll kein kategorisches
"Nein" sein, vielleicht kommt schon nächstes Jahr ein interessantes
Angebot, das ich nicht abschlagen kann. Aber tendenziell eher nicht. Es ist
sehr leicht, daheim zu sitzen und sich auszumalen, wie die Karriere weitergehen
soll. Die Realität sieht aber immer völlig anders aus. Ich habe
eben einen ganz bestimmten Look, also werden mir wohl kaum die Rollen angeboten,
die eine Meryl Streep bekommt. Ich kann allenfalls die besten Rollen aus
dem kleinen, begrenzten Spektrum auswählen. Ich habe mich bemüht,
dieses Action-Image loszuwerden und viele kleine Independent-Filme gedreht.
"Sag' kein Wort" ist nun für mich der erste Film von einem der großen
Studios, in denen es nicht um Action und Spionage oder dergleichen geht.
Ich hoffe, dass mir das noch mehr Türen öffnet, aber ich habe da
keine Kontrolle. Ich kann nur versuchen, das ein bisschen zu steuern. Ich
muss mir auch im Klaren drüber sein, dass nicht so viele Leute einen
Woody-Allen-Film sehen werden wie James Bond oder "X-Men".
Frage: In zehn bis zwanzig Jahren können
Sie immer noch die Meryl-Streep-Rollen spielen - je nach dem, ob Sie Ihr
Aussehen bis dahin konservieren können oder nicht.
Janssen: Keiner sieht mit 50 noch so aus wie
mit 30.
Frage: Da kann man doch nachhelfen...
Janssen: Sie meinen beim Schönheitschirurgen?
Nein danke!
Frage: Vor "X-Men 2" steht bei Ihnen noch ein
anderer Film auf dem Programm: "I Spy". Wie ist da der Stand der Dinge?
Janssen: Wir drehen gerade. Ich spiele zusammen
mit Eddie Murphy. Die Dreharbeiten dauern alles in allem etwa fünf Monate.
Wir haben in Budapest angefangen und momentan sind wir in Vancouver. Der
Film basiert auf einer amerikanischen Fernsehserie aus den 60er-Jahren. Ich
spiele eine Geheimagentin.
Frage: Also doch wieder ein Actionfilm!
Janssen: Nein, eine Komödie. Allenfalls
eine Action-Komödie.
Frage: Sie haben einen Universitätsabschluss
in Literatur. Nützt der Ihnen etwas für Ihren Beruf als
Schauspielerin?
Janssen: Ich glaube schon, dass ich manchmal
darauf zurückgreife - und sei es nur unterbewusst. Ich würde gerne
wieder mehr schreiben. Sollte ich als Schauspielerin irgendwann mal in der
Sackgasse landen, dann habe ich immer noch einen Joker im Ärmel und
kann ich mich als Drehbuchautorin oder Schriftstellerin versuchen. Vielleicht
auch als Regisseurin. Aber das ist alles noch sehr weit weg.
Frage: Was haben Sie denn bisher
geschrieben?
Janssen: Drehbücher, Kurzgeschichten und
so.
Frage: Warum wurde nichts davon
veröffentlicht?
Janssen: Weil ich meine Geschichten bisher noch
niemandem gezeigt habe und weil ich nicht weiß, ob ich gut genug bin.
Schreiben macht mir Spaß, aber als Hauptberuf wäre es mir zu einsam.
Autoren sitzen den ganzen Tag allein zu Hause und haben nicht gerade viel
sozialen Kontakt. Ich bin noch nicht bereit, mich darauf einzulassen. Vielleicht
später mal. Aber im Moment genieße ich es, all diese interessanten
Leute zu treffen. In der Filmbranche zu sein, macht Spaß: Man ist viel
unterwegs, lernt neue Orte und Menschen kennen.
Frage: Kennen lernen sicherlich - aber kann
man in diesem schnelllebigen Geschäft auch echte Freunde finden?
Janssen: Das kommt drauf an. Ich habe schon
mehrere Freundschaften an einem Filmset begonnen. Bei "X-Men" sind wir alle
sehr eng zusammengewachsen, weil wir viel Zeit miteinander verbracht haben
und die Dreharbeiten sehr lange dauerten. Wir waren in Kanada, es war Winter
und bitterkalt. Wir waren zusammen Schlittschuhlaufen, wir haben die
örtlichen Bars unsicher gemacht, wir waren gemeinsam Abendessen und
so weiter. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, hat man gute Chancen,
echte Freunde zu finden.
Frage: Dann dürfte "X-Men 2" so etwas wie
ein Klassentreffen werden.
Janssen: Das trifft es ziemlich genau. Und ich
freue mich schon sehr darauf!
Brigitte Saar/ Rico Pfirstinger
copyright Rico Pfirstinger 2001
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