Der Plot zu "A Thousand Dreams Such as These" ist für
gewöhnlich eher der Stoff, aus dem man Fernsehserien macht, und nicht
die schlechtesten. Über ein Jahrzehnt hinweg verfolgt der Film das Schicksal
seiner drei Hauptfiguren, flankiert sie mit den Horizont erweiterndem
Nebenpersonal und verquickt das ganze in durchaus überzeugender Manier
mit der politischen Situation der Zeit, zu der es spielt. Das erste Bild,
1969, zeigt einen maoistischen Aufmarsch in Delhi, politisierte Studenten
im Aufruhr. Man sieht und hört die Diskussionen, die man aus dem Westen
kennt. Wieviel Gewalt gegen ein faschistoides Regime darf erlaubt sein? Soll
man weiter studieren, soll man in die Provinz gehen, wo die Unterdrückung
am schlimmsten ist?
Verhandelt, ausgetragen, narrativiert werden diese Fragen im Dreieck
zwischen Vikram, Siddhart und Geeta. Vikram, der Geeta liebt, die Siddhart
liebt. Eine Frau zwischen zwei Männern, die beinahe Freunde sind - oder:
über der geteilten Liebe Freunde werden. Es ist die Art von Dreieck,
die nicht nur Bollywood sehr liebt, weil sich darin im Erfüllung suchenden,
fehl gehenden, abgewehrten oder beinah zugelassenen Begehren die Emotionen
der Figuren wie der Zuschauer auf die angestrebte Siedetemperatur hochkochen
lassen. Bollywood-typisch ist dabei vor allem der Entwurf der Konkurrenz
der Männer als Freundschaft - und der Entwurf von Freundschaft als etwas
der Liebe beinahe Ebenbürtigen. Allerdings ist "A Thousand Dreams Such
as These" kein Bollywood-Film. Er ist um Realismus bemüht, näher
an der englische Geschichte aufarbeitenden BBC-Serie "Our Friends in the
North" als an, nur zum Beispiel, Raj Kapoors Bollywood-Dreiecks-Klassiker
"Sangam". Kein Song & Dance, nirgends.
Politik, historische Streckung ins Fernsehserienformat, Bollywood-Struktur
ohne Bollywood-Form, das alles in einem Film, der nicht mehr als gut zwei
Stunden dauert: Zuviel des Guten? Vielleicht. Zwischendurch jedenfalls verliert
der Film den Faden, wechselt ein paarmal zu oft und zu hektisch zwischen
den Geschehnissen in Neu Delhi und der Provinz Bihar hin und her, verstrickt
seine Hauptfiguren in die eine oder andere überflüssige Wendung,
verliert ein paar Momente lang seinen Sinn für die rechte Proportion
zwischen Historie und Privatschicksal. Er geht weder in die eine noch in
die andere Richtung in die Tiefe, ist und bleibt (und will gar nichts anderes
sein als) ein Kompromiss zwischen Melodram und Geschichtsaufarbeitung. Verluste
sind zu beklagen, gewiss.
Im ganzen aber ist der mit viel französischer Unterstützung
entstandene Film fraglos ein Gewinn. Fürs indische Kino vor allem, das
für dergleichen bisher kaum Platz hatte. Zwischen dem unverschämten
Kommerz Bollywoods, der allerdings auch manch rauhere Variante kennt, und
dem auf dem indischen Markt ganz chancenlosen Kunstkino - dem sogenannten
Parallel Cinema - war jahrzentelang kaum ein Freiraum auszumachen für
Produktionen wie diese. Filme also, die nicht das Überlebensgroße
suchen und nicht den Anspruch großer Kunst, sondern die Qualitäten
einer guten Fernsehserie. Sorgfalt in der Charakterzeichnung, politisches
Bewusstsein, realistisches Spiel: all das bietet "A Thousand Dreams Such
as These". Wer ihn mit westlichen Augen sieht, wird über dem Vertrauten
dieser Kombination das Außergewöhnliche kaum bemerken, das er
im indischen Kontext darstellt. Ein Ereignis der unspektakulären Art
also, aber dennoch: ein Ereignis.
zur Jump Cut Startseite |