Sudhir Mishra: A Thousand Dreams Such as These (Indien 2003)

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Sudhir Mishra: A Thousand Dreams Such as These (Indien 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

  

Der Plot zu "A Thousand Dreams Such as These" ist für gewöhnlich eher der Stoff, aus dem man Fernsehserien macht, und nicht die schlechtesten. Über ein Jahrzehnt hinweg verfolgt der Film das Schicksal seiner drei Hauptfiguren, flankiert sie mit den Horizont erweiterndem Nebenpersonal und verquickt das ganze in durchaus überzeugender Manier mit der politischen Situation der Zeit, zu der es spielt. Das erste Bild, 1969, zeigt einen maoistischen Aufmarsch in Delhi, politisierte Studenten im Aufruhr. Man sieht und hört die Diskussionen, die man aus dem Westen kennt. Wieviel Gewalt gegen ein faschistoides Regime darf erlaubt sein? Soll man weiter studieren, soll man in die Provinz gehen, wo die Unterdrückung am schlimmsten ist?

Verhandelt, ausgetragen, narrativiert werden diese Fragen im Dreieck zwischen Vikram, Siddhart und Geeta. Vikram, der Geeta liebt, die Siddhart liebt. Eine Frau zwischen zwei Männern, die beinahe Freunde sind - oder: über der geteilten Liebe Freunde werden. Es ist die Art von Dreieck, die nicht nur Bollywood sehr liebt, weil sich darin im Erfüllung suchenden, fehl gehenden, abgewehrten oder beinah zugelassenen Begehren die Emotionen der Figuren wie der Zuschauer auf die angestrebte Siedetemperatur hochkochen lassen. Bollywood-typisch ist dabei vor allem der Entwurf der Konkurrenz der Männer als Freundschaft - und der Entwurf von Freundschaft als etwas der Liebe beinahe Ebenbürtigen. Allerdings ist "A Thousand Dreams Such as These" kein Bollywood-Film. Er ist um Realismus bemüht, näher an der englische Geschichte aufarbeitenden BBC-Serie "Our Friends in the North" als an, nur zum Beispiel, Raj Kapoors Bollywood-Dreiecks-Klassiker "Sangam". Kein Song & Dance, nirgends.

Politik, historische Streckung ins Fernsehserienformat, Bollywood-Struktur ohne Bollywood-Form, das alles in einem Film, der nicht mehr als gut zwei Stunden dauert: Zuviel des Guten? Vielleicht. Zwischendurch jedenfalls verliert der Film den Faden, wechselt ein paarmal zu oft und zu hektisch zwischen den Geschehnissen in Neu Delhi und der Provinz Bihar hin und her, verstrickt seine Hauptfiguren in die eine oder andere überflüssige Wendung, verliert ein paar Momente lang seinen Sinn für die rechte Proportion zwischen Historie und Privatschicksal. Er geht weder in die eine noch in die andere Richtung in die Tiefe, ist und bleibt (und will gar nichts anderes sein als) ein Kompromiss zwischen Melodram und Geschichtsaufarbeitung. Verluste sind zu beklagen, gewiss.

Im ganzen aber ist der mit viel französischer Unterstützung entstandene Film fraglos ein Gewinn. Fürs indische Kino vor allem, das für dergleichen bisher kaum Platz hatte. Zwischen dem unverschämten Kommerz Bollywoods, der allerdings auch manch rauhere Variante kennt, und dem auf dem indischen Markt ganz chancenlosen Kunstkino - dem sogenannten Parallel Cinema - war jahrzentelang kaum ein Freiraum auszumachen für Produktionen wie diese. Filme also, die nicht das Überlebensgroße suchen und nicht den Anspruch großer Kunst, sondern die Qualitäten einer guten Fernsehserie. Sorgfalt in der Charakterzeichnung, politisches Bewusstsein, realistisches Spiel: all das bietet "A Thousand Dreams Such as These". Wer ihn mit westlichen Augen sieht, wird über dem Vertrauten dieser Kombination das Außergewöhnliche kaum bemerken, das er im indischen Kontext darstellt. Ein Ereignis der unspektakulären Art also, aber dennoch: ein Ereignis.

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