Jeden Anspruch auf dokumentarischen Gehalt des Gezeigten zu
konterkarieren, indem man das wohl bekannte Ende der Geschichte historisch
verfälscht und gleich noch aus dem Hollywood-Western der Zeit (von "Bonnie
und Clyde" bis zu "Zwei Banditen") nach Deutschland zitiert, das ist immerhin
eine Idee, Christopher Roth hatte sie schon im voraus vehement verteidigt
- und in der Theorie macht sie erst mal auch Sinn. Hat man "Baader" dann
aber gesehen, ist man der Reihe von quasi-dokumentarischen, wenngleich nicht
sklavischen Nach-Inszenierungen der Wirklichkeit gefolgt bis zum gleichfalls
fiktiven Treffen Andreas Baaders mit dem BKA-Chef Kurt Krone (der eine
auffällige Ähnlichkeit mit dem realen Horst Herold hat) und der
schließlichen Erschießung des Terroristen, dann wird man sich
mit der auch in der Pressekonferenz der Berlinale wie ein Mantra
wiederholten Erklärung nicht begnügen wollen.
Denn wenn nicht um die historische Wahrheit, dann muss es ja um etwas
anderes gehen. Mit dem Mythos Baader, meinte Drehbuchkoautor Moritz von Uslar,
habe man sich auseinandersetzen wollen, mit dem Faszinosum, das er für
seine Anhänger gewesen ist. Nur, leider: davon ist nichts zu sehen.
Weder wird der Mythos demontiert noch wird ihm ein Gegen-Mythos entgegengestellt,
weder gibt es eine irgendwie originelle Neu-Beschreibung der Gruppendynamik
noch den Versuch, Baader als ambivalente Figur einleuchtend zu machen. Es
reicht einfach nicht, das macht der Film ganz unfreiwillig überdeutlich,
die vermeintliche Coolness Baaders zum Ausgangspunkt einer mit dem Historischen
flirtenden Erzählung zu machen - und damit der Lifestyle-Welle der letzten
Jahre hinterherzusurfen, die, mit der erlaubten Verständnislosigkeit
der Nachgeborenen, den Chic des Terrorismus entdeckt hat (und natürlich
nur seine Signifikanten meint).
So bietet der Film letztlich nicht mehr als das brave Abhaken der
Stationen, auf denen sich die erste Generation der RAF konstituiert hat.
Spielszenen werden mit Fernseh- und Wochenschaubildern gemischt. Als auch
nichts weiter bedeutende Signale der Verfremdung werden Brecht-Zitate eingstreut,
sonst aber ist das Drehbuch um authentischen Jargon bemüht; die Inszenierung
bleibt dabei so bieder und einfallslos wie das Spiel der Darsteller. Klar
ist, dass man auf dramatische Zuspitzungen, eine mit Plotpoints arbeitende
Dramaturgie mit voller Absicht verzichtet hat. Ja, man kann den Machern sogar
zustimmen in all dem, was sie bewusst unterlassen haben - hätten sie
nur etwas entgegenzusetzen gehabt, dass irgendwie von Interesse ist.
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