Michael Mann: Collateral (USA 2004)

.

Jump Cut Filmkritik
__________________
Magazin für Film & Kritik:
Rezensionen und News.

Impressum

 
 


.

Michael Mann: Collateral (USA 2004)

 

Schwesterseiten

Auteur.de - Lexikon der Regisseure
Comix-Corner - die Comic-Website
Crime-Corner - die Krimi-Website
Literatur-Corner - die Seite für Literaturkritik
SciFi-Corner - die Science-Fiction- Website

Theater-Corner - die Theater-Seite
.

Archiv

Filmkritik
Filmbuchkritik
Filmklassiker
Alle alten Kritiken in der Übersicht
.

Interaktiv

Forum
Diskutieren Sie über Filme und/oder unsere Kritiken!

Mail
Was immer Ihnen an uns passt oder nicht passt.

...
.

Michael Mann: Collateral (USA 2004)
Von Christoph Nuehlen

[Image]

Ein knappes Jahrzehnt nach der Charakterstudie "Heat" führt Michael Mann seine L.A. Crime Saga fort. Die Parallelen sind unverkennbar. "Collateral" beginnt an dem Flughafen, wo sich Pacino und DeNiro zu ihrem letzten Duell trafen, und der Shoot-Out in "Collateral" findet just in jener Subwaystation statt, die man aus der Establishing-Sequenz von "Heat" bereits kennt. Beim Show-Down in "Heat" wird einer der Kontrahenten im entscheidenden Moment von einem Scheinwerfer geblendet, in "Collateral" entscheidet sich die Auseinandersetzung, weil in der U-Bahn für eine Sekunde das Licht ausgeht. Ist "Collateral" das Komplementärstück zu "Heat"? Wieder geht es um das Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Charaktere und wieder ist die Stadt der dritte Hauptdarsteller. Es ist das andere, das unbekannte Los Angeles. Nicht Palmen und Malibustrände, sondern Commerce, Wilmington, South Central, Downtown... Straßenlichter spiegeln sich in den Wolken, und selbst in der Dunkelheit kann man in der Ferne die Umrisse von Palmen am Horizont ausmachen. "Collateral" bedeutet soviel wie beiläufig; es sind die nächtlichen Seitengassen, die verwinkelten Unorte der Metropole, die hier den Bühnenraum stellen.

Max (Jamie Foxx) hat sich längst mit einem Leben hinter dem Steuer abgefunden. Seit 12 Jahren kutschiert er in seinem Taxi Menschen durch L.A.. Tausende Gesichter hat er in seinem Rückspiegel gesehen, an tausenden Orten ist er gewesen. Flüchtige Erinnerungen im Alltag eines Cab-Drivers. Doch in dieser Nacht steigt am Flughafen von L.A. Vincent (Tom Cruise) in seinen Wagen; Der ist ein Auftragskiller, mit dessen Hilfe ein ausländisches Drogenkartell einer Klage entgehen will. Nun hat Vincent fünf Zeugen auf seiner Abschußliste. Ganz so reibungslos wie geplant kann er seinen Auftrag allerdings nicht durchführen. Er wird gezwungen, Max und sein Taxi zu entführen. Max gerät zwischen die Fronten, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. Nun muß er Vincent zu seinen Zielorten fahren. Und während LAPD und FBI versuchen, sie abzufangen, werden Max und Vincent auf merkwürdige Art voneinander abhängig.

Regisseur und Produzent Michael Mann erklärt: "Eines der Dinge, die mich an diesem Projekt gereizt haben, war die Komprimierung der Zeit - alles passiert in einer Nacht. Die ganze Geschichte findet zwischen 18 Uhr und 4 Uhr morgens in der wohl modernsten aller amerikanischen Städte statt. Das ist die Welt, durch die sich Max und Vincent bewegen, während sich die Story entfaltet. In dieser Nacht verändert sich alles in ihrem Leben. Die Endlichkeit zeigt sich am Horizont und bewegt sich auf sie zu. Es ist die Kollision zweier Leben unter extremen Umständen. Es ist eine Komprimierung von all dem, was sie waren und wer sie sein wollen - all das kollabiert durch die Ereignisse einer Nacht. Ich musste einen Weg finden, diese dreidimensionale Nacht zum Leben zu erwecken, in die Nacht von L.A. zu blicken." Um dies zu erreichen, drehte Mann als einer der ersten Hollywood-Regisseure seinen Film fast vollständig digital, mit einer Viper Thompson HD Kamera. Man sieht die stimmungsvolle Landschaft aus Hügeln, Bäumen und verführerisch funkelnden Lichtmustern. Schon rein architektonisch ist der Film ein Genuß. Die Stadtlandschaft ist von ähnlich majestätischer Schönheit wie die Wälder des "Letzten Mohikaners", den Mann Anfang der 90er drehte. Michael Mann hat schon immer gewußt, wie man die Dinge gut aussehen läßt. In den Achtzigern produzierte er "Miami Vice", eine Serie mit eigenem Look, die die Popkultur verändert hat. Mann steht in dem Ruf, ein eher distanzierter Arrangeur kühl kalkulierter Bilder zu sein. Tatsächlich scheint in den perfekt austarierten Einstellungen und dem Einsatz von Farbe und Musik nichts überflüssig. Daß "Collateral" sich dennoch nicht in Ästhetizismen verliert, liegt nicht nur an den beiden Hauptdarstellern. An denen aber auch, denn in erster Linie geht es um die Dialektik zweier sehr verschiedener Leben, die in der Nacht von Los Angeles aufeinander treffen. Darüber hinaus macht der Film eine Wildheit, die direkt unter der Oberfläche lauert, spürbar. Es gibt eine Szene, in der drei Kojoten die Straße vor dem Taxi kreuzen, so als würde dieses Gebiet noch immer ihnen gehören. In diesem Moment wird die Fragilität der Zivilisationsschicht spürbar.

Cruises Make-Up und Garderobe reflektieren die Farben der Kojoten. Anzug und strähnig - graues Haar machen ihn zu einem silbrig schimmernden Raubtier. Dennoch ist er ebenso domestiziert wie die Stadt. Die exklusive Aktentasche, das Palmtop sind die gängigen Accessoires des Geschäftsmannes. Die Metapher ist naheliegend; reden Manager und Consultants doch gern von ihrem "Killerinstinkt". Die Attribute dieses Killers sind im allgemeinen positiv besetzt. Vincent ist das Produkt der spätkapitalistischen Industriegesellschaft, die Konsequenz eines Systems, in dem Effizienz den Vorrang vor Moral genießt, physisch und mental perfekt angepasst an die Überlebensbedingungen einer kalten und unpersönlichen Umgebung. "Ein Mann stirbt in einer U-Bahn. Glaubst du, irgendjemand würde ihn bemerken?" fragt Vincent. Ein Mensch ist für ihn nur ein Licht unter Milliarden Lichtern am Nachthimmel. Was macht es schon, wenn eines davon erlischt? Welche Kälte umgibt solch einen Menschen?

Die Kojotenszene drückt den grundlegenden Unterschied zwischen den beiden Protagonisten aus. Max hat eine solche Achtung vor dem Leben, dass er, obwohl sich selbst in einer lebensbedrohenden Situation befindend, das Taxi stoppt, um die Tiere nicht zu verletzen. Der Killer folgt seinem selbst gewählten Wertekodex. Für Max' konventionelle Moralvorstellungen hat er kein Verständnis. Er ist zu Mitgefühl nicht in der Lage. Nachdem Vincent sein erstes Opfer getötet hat, fragt ihn Max, was der Mann ihm denn getan hätte. Vincent antwortet verwundert: "Nichts, ich habe ihn heute zum ersten mal gesehen." Auf Max' entsetzte Reaktion hin fügt er hinzu: "Soll ich einen Menschen etwa erst töten, nachdem ich ihn kennengelernt habe?" Er versucht es tatsächlich. Als Vincent ein weiteres Opfer in einem Jazzclub aufsucht, plaudert er zunächst mit dem Mann über Miles Davis. Dann schießt er ihm zwischen die Augen.

Michael Mann inszeniert seinen Film im Stil des Neo-Noir, vermeidet jedoch Schwarz - Weiß - Malerei. Die Übergänge zwischen Gut und Böse sind fließend. Polizisten wirken wie Mitglieder des organisierten Verbrechens, Vincent ist durchaus symphatisch. Er ist so undefinierbar wie das Grau seiner Erscheinung. Meist begrenzt auf das Innere des Taxis, ist "Collateral" atemberaubendes Psychoduell und packender Actionthriller zugleich. Manns Besessenheit fürs Detail macht ihn zu einem herausragenden Film.

zur Jump Cut Startseite

.

Suche


powered by crawl-it
.

Newsletter

Anmelden zum Jump Cut Newsletter mit wöchentlichen News und Updates

Powered by KBX7

.

Jump Cut Partner

DVDs & Videos
Suchbegriffe:



In Partnerschaft mit Amazon.de

.

Internet Movie Database


Filmtitel Person
Powered by www.IMDb.com