Oliver Stone: Comandante (USA 2003)

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Oliver Stone: Comandante (USA 2003)
Kritik von Ekkehard Knörer

 Berlinale-Kritik

Keine Frage: Oliver Stone hat sich verliebt. In Kuba, zum einen, dann aber auch, Hals über Kopf, in Fidel Castro, den "Comandante", den er in seinem Interview-Dokumentarfilm gleichen Titels porträtiert. Dreißig Stunden Material hat er auf neunzig Minuten gekürzt und ist dann doch selbst öfter, als es einem bescheidenen Mann geziemt, im Bild. Stone stellt Fragen, philosophische, politische, private - und er bekommt oft genug Antworten. Sensationelles erfährt man nicht. Nein, Folter, hat es in Kuba nie gegeben, und Che Guevara war ein wenig ungeduldig. Castro legt den Arm um Stones Schulter, krault sich im Bart und versichert, dass er durch den Verzicht auf die morgendliche Rasur Monate seiner Lebenszeit gespart habe. Die Chemie stimmt zwischen den beiden, keine Frage, irgendwann landen sie sogar bei Viagra-Scherzen.

Fidel Castro ist ein gewinnender Mensch, das bestätigt der Film, der, wie Stone in der Pressekonferenz (zu der Castro sogar beinahe gekommen wäre) mehrmals versichert, nicht mehr als ein persönliches Porträt einer historischen Legende sein soll. Auf alle kritischen Nachfragen zur vielleicht etwas zu affirmativen politischen Haltung von "Comandante" reagiert Stone gereizt. Was, meint er etwa, sei die Demokratie wert, wenn sie doch nur eine Frage des Geldes ist. Kuba sei das Paradies, wenigstens im Vergleich zu Staaten wie Brasilien oder Honduras. Worum auch immer es geht, Stone kann nicht anders, als das Kind mit dem Bad auszuschütten - und wenn er sich Fidel Castro dabei an die Brust wirft. Immerhin hat der die Stone-Filme "Platoon" gesehen, und auch "JFK". Im Gespräch versichert Castro dem strahlenden Regisseur, dass er sehr skeptisch sei, was die Alleintäterschaft Lee Harvey Oswalds angeht.

Stilistisch ist "Comandante" reiner Oliver Stone, also ein wilder Ansturm der Bilder, eine Reihung von Pawlowschen Reflexen, auf die bei ihm Verlass ist. Spricht Castro von der Atombombe, ist im nächsten Bild ein Atompilz zu sehen. Die digitalen Bilder zucken um Castro herum, ohne Sinn und Verstand schneidet Stone von einer Nahaufnahme des Gesichts zur nächsten, Hauptsache, es bewegt sich was. Historisches Material dazwischen, eine Handvoll kubanische Musik darunter, kein Klischee ist zu dumm, keine Assoziation zu hanebüchen. Wie stets geht es ihm bei seinen Zerlegungen der Bilder nicht um Analyse, schon gar nicht um Reflexion. Dinge, die man besser getrennt hielte, werden zusammengerührt, dass einem Hören und Sehen vergeht. Andererseits: das war alles klar. Oliver Stone ist nicht Günter Gaus. Und ein trotz aller Einwände interessanter Blick auf einen faszinierenden Menschen ist "Comandante" allemal.

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