Wenn mans recht besieht, begeht John Boormans
Wettbewerbsbeitrag Country of my Skull so ziemlich jede
Todsünde, die man in Hollywood so zu begehen pflegt, wenn man sich
schwierigen politischen Themen nähert. Die Komplexität der
Verhältnisse wird munter drauflos reduziert, durch Personalisierung
zuerst. Genau das geschieht hier mit einer so nonchalanten Unverschämtheit,
dass es fast schon wieder als Formprinzip durchgehen könnte. Ins
Südafrika der Wahrheitskommissionen nämlich wird Samuel Jackson
geschickt, als Schwarzer unter Weiße unter Schwarzen. Als Weiße
unter Schwarzen fungiert die Afrikaanderin Juliette Binoche (sie hält
sich, Akzent und alles, ganz gut) und die offizielle Historie der
Geständnisse und Begnadigungen, der Verbrechen und Verletzungen bekommt
als kleine Schwester aus Hollywood das ganze in Gestalt einer Privatgeschichte
beigesellt.
Anna Malan, von Haus aus Dichterin, berichtet fürs Radio über
die Hearings, die Schwarze und Weiße im Rahmen eines Prozesses eigener
Art konfrontiert: die Schwarzen berichten von ihrem Leid, die Weißen
gestehen ihre Untaten und werden begnadigt, wenn sie nur auf Befehl gehandelt
haben. Das alles erfährt man, wenngleich es dabei kaum ohne die
Nötigung abgeht, durch die Augen der Protagonisten zu blicken.
Tatsächlich werden die Prozesse dadurch mehr oder minder zur blossen
Illustration im Rahmen einer aufs Exemplarische und Individuelle reduzierten
Geschichtslektion. Die eigentliche Entwicklung findet stets zwischen Anna
Malan und John Whitfield statt, der für die Washington Times in die
USA berichtet. In einem Prozess politisierter
Übertragungsverhältnisse, von dem Freud nicht geträumt haben
dürfte, kommen sich die beiden näher. Und näher.
Was zur Folge hat, dass nun Anna Malan einen Wahrheitsprozess eigener
Art durchzufechten hat, zuhause, mit ihrem Mann, dem sie alles gesteht.
Spätestens hier erweist sich das ganze Arrangement als denn doch zu
absurd. Dabei hat John Boorman mit Hilfe eines gar nicht dummen, weil bei
aller privatisierenden Dreistigkeit im Detail immer wieder erfreulich dezenten
Drehbuchs, seinen Film in beinahe respektabler Manier über die Zeit
gerettet. Juliette Binoche und Samuel Jackson, deren Spiel so wenig manipulativ
ist wie es, im Großen und Ganzen, die Mittel der Regie sind, helfen
dabei nicht wenig. Erst die Auflösungen ins Harmonische sind es, die
die Geschichte vom Versöhnlichen ins Versöhnlerische, von
Nachdenklichkeit ins Thesenhafte umpolen.
zur Jump Cut Startseite |