In einer Welt aus Sepiafarben und weitem japanischem Land steigen
ein Junge und ein Mädchen in einen Bus. Man hört nichts außer
dem seltsam verstärkten Geräusch des Busmotors, die Landschaft
gleitet vorbei. Dann ein Schnitt wie ein Schlag. Aus dem Nichts ist Gewalt
ausgebrochen, einer der Mitfahrenden ist ein bewaffneter Irrer. Er nimmt
den Busfahrer als Schutzschild und tötet in seinem letzten Atemzug beinahe
noch die Kinder. Es gibt sechs Tote, Todesangst und keinen Grund.
Der Spuk ist schnell vorbei - und doch geht es im ganzen folgenden,
mehr als dreieinhalb Stunden langen Film um nichts anderes als das Weiterspuken
dieses Traumas. Zwei Jahre und einen weiteren Schnitt später ist das
Geschwisterpaar verwaist, kommentarlos, in einer so rätselhaften wie
grotesken Szene, sieht man den Unfalltod des Vaters, dann das Verschwinden
auf Nimmerwiedersehen der Mutter. Zurück bleiben die beiden in einem
Gespensterhaus, in dem die einzigen Gespenster jedoch die Kinder sind, denen
es die Sprache verschlagen hat, die unfähig sind, das Chaos ihres Lebens
noch abseits aller gesellschaftlichen Verpflichtungen zu bewältigen.
Eureka zeigt sie beim Errichten von vier Gräbern für die Toten
der Busentführung. Bei der Fahrt zum Einkauf: Kozue, das Mädchen,
steht mit ihrem Fahrrad auf Bahngleisen zwischen geschlossenen Schranken.
Ein Flirt mit dem Tod und mehr tot als lebendig scheinen die beiden
ohnehin.
Auch Makoto, der Busfahrer, kehrt zurück in den Film, in die
Geschichte, landet, nach Auseinandersetzungen mit seiner verständnislosen
Familie, im Gespensterhaus. Die Sprachlosen laden ihn sprachlos ein zu bleiben.
Aoyama zeigt langsame Annäherungen, liebevoll schließen die drei
im Schlaf einen Kreis, Makoto deckt die beiden zu. Er hat einen neuen Job,
arbeitet als Tagelöhner auf dem Bau, lernt eine junge Frau kennen. Die
Gewalt jedoch ist nicht verschwunden aus dem Film, sehr wohl allerdings aus
den genauestens komponierten Bildern. Eine Mordserie an jungen Frauen, Makoto
gerät in Verdacht, die junge Frau wird getötet. In die Triangel
der Traumatisierten ist unterdessen ein Cousin der beiden eingedrungen,
beauftragt, wie es scheint, Ordnung, oder auch nur: Leben in ihr Leben zu
bringen. Man kann nicht sagen, dass das umstandslos gelingt, auch er schleppt,
wie man erfährt, eine Erfahrung mit dem Tod mit sich.
Erst als Makoto die Initiative ergreift, kommt Bewegung in die erstarrten
Leben der Geschwister. Er kauft einen kleinen Bus, sie machen sich, mit dem
Cousin, auf eine Reise, die nur eine spirituelle zu nennen ist, in einem
Film, der nun zum Road Movie wird. Ausgangspunkt dieser Fahrt ohne konkretes
Ziel ist der Schauplatz der traumatischen Entführung. Was sich auf der
Fahrt ereignet, sind kleine Annäherungen, ein Klopfen an der Wand wird
zum Zeichen wachsender Verbundenheit von Makoto und den Kindern, der Cousin
bleibt außen vor. Makoto ist ein Vater, der doch schutzbedürftig
ist, den nicht eine Kluft des Nicht-Verstehens von den beiden trennt (wie
sie zwischen ihm und seinem Vater klafft), der stattdessen in die symbiotische
Beziehung der beiden Verwundeten als gleichfalls Verwundeter hineingenommen
wird.
Eureka ist ein wortkarger Film, der Stille, der Geduld, der
unerklärten Ereignisse, Verschiebungen, Beziehungen. Die Tonspur ist
fast wichtiger als das, was an Worten fällt, bedrohliche, mehr und weniger
verstärkte Geräusche: etwa, einmal, das Schwingen eines
Golfschlägers, das an das Trauma rührt. Aoyama zeigt das, führt
es vor in der bloßen Kombination von Bildern und Tonspur. Auf lange,
fast ereignislose Szenen, die trotz der sorgfältigen Komposition des
Einzelbilds in vergleichsweise flüssiger Decoupage aufgelöst werden,
folgen unerklärte Schnitte, Sprünge, die die zeitliche, wenigstens
zunächst auch die räumliche Orientierung schwer machen.
Eines aber ist Eureka nicht: ein bildkarger Film. Die
Sepia-Schönheit der Bilder, ihre ausgesuchte, altmeisterliche Komponiertheit
ist überwältigend. Im Bild setzt Aoyama von der ersten Sekunde
an einen Kontrapunkt der Schönheit gegen den Schmerz, der keinen Ausdruck
findet. Zugleich verstärken die leicht überirdischen Farben und
Formen die Abgeschlossenheit, die bleierne Sprachlosigkeit, die durch die
Seelen der Figuren zieht. Problematisch wird diese Schönheit erst in
der zweiten Hälfte des Films, wenn sie nicht mehr zweideutiger Widerhall
ist der Seelenlagen, sondern ganz solidarisch wird mit der spirituellen Heilung.
Makoto, der stirbt, der unaufhörlich hustet und eine blutende Wunde
trägt, aber nicht ruhen kann bis zur Erlösung seiner Schützlinge,
wird zum Heiligen. Die Aufnahmen der monumentalen Landschaften, durch die
er und Kosue, zuletzt allein, fahren in ihrem Bus, werden so zu in sich
widerspruchslosen Heiligenbildchen, die Schönheit wird leer. Am Ende
dann, am Endpunkt eines zuletzt beinahe ärgerlichen Films - und umso
ärgerlicher, als seine Größe offenkundig ist - verliert sich
Eureka ans doppelte Klischee. Erlösung bringt der Ozean, ins Bild gesetzt
wird sie durch den Sprung aus der Sepiawelt in die Farbe. Die Kamera entfernt
sich, gen Himmel kreisend, von ihren Figuren.
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