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Dancer in the Dark
Dänemark 2000
Regie: Lars von Trier
Mit Björk, Catherine Deneuve, Jean-Marc
Barr
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PLOT
Schmerzensdrama um die erblindende Selma,
Liebhaberin von Film-Musicals, die sich für die Augenoperation ihres
Sohnes halbtot arbeitet.
KRITIK
Theres nothing left to see. Selma, die tschechische
Einwanderin im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, hat schon alles
gesehen, was das Leben zu sehen bereithält; alle Natur, alles Menschliche
und Unmenschliche. Dass sie ihr Augenlicht verliert, langsam und unaufhaltbar,
kann sie verschmerzen. Aber dass ihrem Sohn das gleiche Schicksal bevorsteht,
wenn er nicht rechtzeitig operiert wird, ist für sie unerträglich.
Schließlich haben ihre Gene dem kleinen Gene (!) die grausame Veranlagung
in die Wiege gelegt. Also schuftet Selma in einer Fabrik, fährt
Doppelschichten und formt in der Mittagspause Haarklammern, um die Operation
bezahlen zu können. Dabei wird die Welt um sie herum immer dunkler,
unerklärlicher und gefahrvoller, bald schon tastbar mehr denn sichtbar.
Das Geld hat sie dennoch beinahe zusammen, als ihr Nachbar Bill, dessen
verwöhnte Frau den Hals nicht vollkriegen kann, in seiner Verzweiflung
das Ersparte stiehlt. Der einen Verzweiflungstat folgt eine zweite; schon
bald steht Selma wegen Mordes an Bill vor Gericht und wird zum Tode
verurteilt.
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Leid gibt es beim dänischen
Ausnahme-Regisseur Lars von Trier nur kübelweise. Vor vier Jahren ließ
er in Breaking the Waves die englische Schauspielerin Emily Watson
in rückhaltloser Aufopferung für ihren gelähmten Mann zu Grunde
gehen. In seinem neuen Film Dancer in the dark entlockt von Trier
der isländischen Sängerin Björk eine ähnlich imposante
Leistung, indem er sie als Mutter der Schmerzen mit Blindheit, Unrecht und
Ignoranz straft. Der Däne, der zwischen Waves und
Dancer mit der politisch unkorrekten Komödie
Idioten sein wahres Schelmen-Gesicht gezeigt hat, erweist sich
dabei einmal mehr als Zyniker. Das doppelte Schicksal des Erblindens genügt
ihm als Leidensweg ebenso wenig wie die in mühsamem Schuften manifestierte
Aufopferung einer Mutter. Von Trier will mehr: Er lässt den Mord geschehen,
damit die Ungerechtigkeit noch rauschendere Feste feiern
kann.
Denn vor Gericht sprechen alle Indizien gegen
die moralisch Unschuldige, das amerikanische Rechtssystem gewährt der
Migrantin keinen fairen Prozess. Der gleichen Verfehlung macht sich der
Filmemacher von Trier schuldig: Er legt seiner Heldin eine dem Zuschauer
kaum begreifliche Falschaussage in den Mund, die sie geradewegs an den Galgen
bringt. Und als wäre das noch nicht genug, lässt er Selma ihre
letzte Chance auf Rettung in im wahrsten Wortsinn blinder Märtyrerschaft
zerschlagen.
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Richtig traurig kann das nicht machen; von Triers komplexes
Leidens-Konstrukt zerstört die urwüchsige Kraft des Stoffes, entfremdet
von den Figuren. Als hätte der Regisseur das geahnt, gewusst, dass er
mit purem Realismus diesmal nicht durchkommen würde, unterbricht er
den Leidensweg seiner Heldin immer wieder durch Musical-Einlagen. In Selmas
Fantasie formen sich Lieder und Bilder, die sie ihrem Schicksal für
Minuten entreißen. Auch der Zuschauer entflieht in diesen visuell wie
musikalisch wunderbaren Szenen dem lästigen Niedergang in Selmas Welt
der Schmerzen. Doch von Triers plötzliche Wandlung vom willkürlichen
Folter- zum famosen Zeremonienmeister dauert immer nur so lange wie Selmas
Songs, die das Herz eines herzlosen Films bilden.
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