Nach dem schwer einzuordnenden, irgendwo jenseits der Alltagsrealität
angesiedelten, halb im Phantastischen drinsteckenden Arthouse-Movie DIAMOND
HILL (HK, '00) zeigte Soi Cheung Po-sui mit seinen beiden knochenmarkfrostenden
Schockern HORROR HOTLINE... BIG HEAD MONSTER (HK, '01) und NEW BLOOD (HK,
'02), wie leicht es ist, trotz eingeschränkten Budgets intelligentes
und aggressiv-effektives Kino zu machen. So fühlen sich Horrorfilme
an, die ihre Zuschauer einkesseln und dann den Knebel zudrehen. Keine Frage,
ein Shooting-Star, der Mann. Aber der läßt sich Zeit mit seine
Filmen. Jedes Jahr einer, das genügt, dann stimmt die Inspiration, dann
stimmt das Ergebnis.
Große Erwartungen, nicht nur im Independent-Bereich. Das Kapital handelt.
Aber es ist seiner Natur nach auch zögerlich. Sozusagen als Testlauf,
um zu sehen, ob Cheng sich als Multiplikator eignet, bekommt er von der
mächtigen Medienfirma Emperor Entertainment Group (EEG) für seinen
nächsten Wurf, THE DEATH CURSE (HK/VRC, '03), HKs derzeit angesagteste
Teen-Stars, die Mädels des momentan unvermeidlich Popduos "Twins" und
die Jungs der "Boy'z", zwei konturlose Milchgesichter, als Hauptdarsteller
zur Verfügung gestellt. Die Nachwuchsstars befinden sich ganz in der
Hand des Kapitals und lassen sich ohne großen realen Mitteleinsatz
gut als Joker auf dem Spielfeld plazieren.
Besetzungsmäßig kann's fetter kaum kommen für eine
Spartennachwuchskraft wie Cheng, der sein kommerzielles Potential bis dahin
noch nicht im Mainstream-Markt beweisen mußte. Doch limitiert dieses
Casting deutlich das filmische Konzept, die Mächtigkeit des Suspense-Staus,
die Bandbreite möglicher Terrorattacken gegen die Zuschauer
(hauptsächlich Idol-vernarrte, höchstens mal halbtrockene Pipijungs
und Pipimädchen).
Überhaupt haben Aufwertungstaktiken durch Teenie-Stars schon übers
ganze vorhergehende Jahr ('02) durch Überstrapazierung merklich Wirksamkeit
eingebüßt. Die finanzielle und logistische Unterstützung
für den Versuchsballon DEATH CURSE ist mit diesen Main-Acts dann aber
auch weitgehend erschöpft. Cheng, in dieser Konstellation selbst eine
Art Laborratte, muß zusehen, wie er seinen Film trotz relativ bescheidener
Mitteln auf die Gleise und in Fahrt bekommt. Schwerlich läßt sich
unter diesen Voraussetzungen etwas Vernünftiges entwickeln.
So hat Cheng, Dompteur eines sich in der Überzahl befindenden Haufens
von Nichtschauspielern, alle Mühe, den Film auf möglichst flachem
Kurs zu halten und bloß nicht aus der teenverträgliche Spur ausbrechen
zu lassen. Nach einem kurzen Einstieg wie bei einem x-beliebigen Teen-Film
oder einer Romcom, ist die Lösung des Problems eine High-Concept-Variante
des im phantastischen Film nicht unbekannten Geisterhausthemas.
Überhaupt wimmelt es hier nur so vor klassischen Motiven des Horrorfilms.
Deren wichtigstes selbstverständlich: die Familie, bzw. ihre explizite
Dysfunktionalität. So ist dann auch immer wieder die mangelnde Kompetenz,
positiv besetzten sozialen Mustern zu entsprechen, sie aufzubauen oder zu
kommunizieren ursächlich fürs gemeinschaftliche Unheil. Ganz schlimm
trifft es jene, die sich aktiv den sozialen Codes verweigern. Die von ihnen
ins Spiel gebrachten destabilisierenden Disharmonien haben nicht nur für
sie selbst fatale Folgen. Als Totentanzrhythmen werden sie auch immer wieder
auf die (Zwangs-)Gemeinschaft zurückgeworfen.
Diesem Katalog hat Cheng nichts hinzuzufügen. Der Ort, an dem er sein
hinlänglich bekanntes Darsteller-Dezimierungs-Schema entfaltet, bleibt
ungenannt, befindet sich irgendwo im südlichen China. Dunkle Andeutungen
und Geheimnisse liegen in der Luft.
Sicher ist nur eins: Nichts ist, wie es scheint, bei dieser unverhofften
Zusammenkunft acht einander bislang unbekannter Halbgeschwister, jedes von
einer anderen Mutter, die das nicht unbeträchtliche Erbe ihres Vaters
anzutreten hoffen, den sie erst nach seinem Ableben kennenlernen. Laut einer
unter weiteren fragwürdigen Klauseln im Testament des Familienoberhaupts
sind sie zu gegenseitigem Wohlwollen verpflichtet, um erben zu können.
Doch unterschiedliche Ressentiments der Geschwister gegeneinander trüben
die Atmosphäre. Zwietracht, Mißgunst und Gier gewinnen im Handumdrehen
die Oberhand. Und sonderbar Erscheinungen beginnen, die Versammelten zu plagen.
Über seinen Tod hinaus scheint eine unheimliche Macht von dem seltsamen
Patriarchen auszugehen. Mit horriblem Computer-Gemorphe und dem Einsatz kurzer,
präziser Schreckmomente - inzwischen fast schon Chengs Markenzeichen
- geht es flott zur Sache. Nerventortur. Der (noch) gesunde Menschenverstand
wird in seine dunklen Abgründe zurückgetrieben und merkt erst,
daß hier ein mörderisches Spiel gespielt wird, wenn es längst
zu spät ist.
Schon in der ersten Nacht stehen die Zeichen auf Sturm. Ein Blutbad zu
Füßen der in grotesker Weise aufgebahrten Leiche kündigt
sich an. Zwischen Momenten anschwellender Harmlosigkeit, während denen
Protagonisten wie Zuschauer zur Sorglosigkeit verführt werden, verdichtet
sich auf einem abgelegenen, festungsartigen Landgut unabläßig
die Atmosphäre des Grauens.
Chengs entwirft eine groteskes Schauerstück, das - nicht ohne komische
Momente - durch seine stark stilisierten Neo-Gothik-Settings, seinen Look,
den Plot entfernt an die kantonesische Version einer deutschen
Edgar-Wallace-Verfilmung aus den 60ern erinnert.
Daß er in seinem ersten Mainstream-Film nicht die selbe durchgehend
zuschauerfrittierende Schockspannung aufbauen kann wie in den beiden subversiven
Vorgängern, versteht sich eigentlich von selbst. Da kommt es schon zu
einigen Durchhängern, sieht es bisweilen mehr nach gefilmtem
Fantasy-Rollenspiel aus, und das schwerlich ernstzunehmende Ende zieht sich
in die Länge.
Getarnt als harmlos-teenverträgliche Geisterbahnbesichtigung, finden
sich in THE DEATH CURSE allerdings immer noch einige so gut inszenierte
Schreckmomente und genügend Verunsicherungspotential, um den einen,
vielleicht auch den anderen Teeny-Bopper schmerzlich vom positivistischen
Glauben an die innere Güte des Menschen und die Regelmäßigkeit
der Natur abfallen zu lassen - und das ist doch schon mal was ... So, wie
das für einen Film dieser Gewichtsklasse hervorragende Box-Office von
10,16 Millionen HK-Dollar, Chengs bislang bestes Kassenergebnis.
Und bei den von HKs Filmkritikervereinigung jährlich verliehenen Golden
Bauhinia Awards wird Cheng - momentan der zeugungsfähigste Nachkomme
im HKer Horrorgenre - eine lobende Erwähnung zuteil, weil er das Maximum
aus den vergleichsweise geringen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen,
herausgeholt hätte.
Kann man teilen, die Meinung, muß man aber nicht.
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