Heute begann der Tag mit Chantal Akermans
Sex-und-Holocaust-Boulevardkomödie "Demain, on déménage".
Früher begann er mit einer Schusswunde, aber da war ohnehin alles besser.
Es gibt einen Plot, etwas in der Art jedenfalls. Wir haben Charlotte, die
eine erotische Geschichte erzählen soll, in irgendjemandes Auftrag und
sich von ihrer Mutter, mit der sie eine Wohnung teilt, schmutzige Wörter
einflüstern lässt. Die Wohnung, die erotische Geschichte, das sind
die roten Fäden des Films, der besser ein Theaterstück geworden
wäre (aber gewiss auch kein gutes). Gelegentlich kommt der Holocaust
ins Spiel, etwa in Gestalt von Samuel Popernick, Immobilienmakler von der
traurigen Gestalt. Er hat seine Familie in Polen verloren. Der Geruch des
Fungizids in der Wohnung erinnert ihn an Polen. Ist das mehr als eine
törichte Frivolität? Ich wüsste nicht, warum. Dann spielt
er Klavier.
Charlottes Mutter Catherine ist Klavierlehrerin, im Grunde ein weiterer
roter Faden: die Musik. Mal vom Klavier (das in der ersten Einstellung durchs
Bild schwebt), mal aus dem CD-Player, mal tanzen die Leute, die kommen, sich
die Wohnung zu besichtigen, zur Musik. Einer hat etwas gegen Beethoven, seine
Frau liebt Beethoven, dann verlässt er seine Frau. Eine andere Frau,
sie hat jeden Tag Sex, bekommt ihr Kind in der Wohnung. Der alten, denn eine
neue wird ja gesucht. Im Café belauscht Charlotte Gespräche und
übernimmt sie in ihre Geschichte. In einer weiteren Wohnung, die sie
sich mit einer anderen Frau teilt, lauscht sie an den Wänden, Sex rechts,
Sex links, eifrig ins Notebook getippt. Ach ja, Charlottes Vater ist gerade
gestorben, Catherine bewahrt in einem Koffer Unterhosen, Hemd, Krawatte,
Rasierzeug etc. als Andenken. Der Mann, der seine Frau verlässt, wird
den Koffer an sich nehmen. Später bringt er ihn zurück.
Klingt nach einem Durcheinander? Das ist es, weiß Gott. Aber
eines mit Tempo. Irgendwie hat Chantal Akerman die Idee, dass Komik von selbst
entsteht durch Beschleunigung zum einen und ständige Wiederholung zum
anderen des Unkomischen. Das ist ein Irrtum. Es gibt einen einzigen recht
hübschen Gag, dem als running gag allerdings auch rasch die Puste ausgeht:
Bei jeder Wohnungsbesichtigung - es gibt eine ganze Reihe - öffnet einer
den Kühlschrank, stellt erstaunt fest: Er ist leer. Replik: Man kann
ihn füllen. Wer weiß, vielleicht wäre der Film gerne eine
Screwball-Comedy. Er ist es nicht. Leid tut einem Sylvie Testud, die hier
zu Gekasper gezwungen wird, weit unter ihrem darstellerischen Niveau. Am
Ende zieht im übrigen die Mutter aus, die Frau, die jeden Tag Sex hatte,
trennt sich von ihrem Freund und zieht ein, mit Kind. Das ist wohl eine
feministische Pointe.
In der Reihe vor mir leises Schnarchen. Neid.
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