Filmkritik Isild Le Besco: Demi-Tarif (F 2003)

.

Jump Cut Filmkritik
__________________
Magazin für Film & Kritik:
Rezensionen und News.

Impressum

 
 


.

Isild Le Besco: Demi-Tarif (F 2003)

 

Schwesterseiten

Auteur.de - Lexikon der Regisseure
Comix-Corner - die Comic-Website
Crime-Corner - die Krimi-Website
Literatur-Corner - die Seite für Literaturkritik
.

Archiv

Filmkritik
Filmbuchkritik
Filmklassiker
Alle alten Kritiken in der Übersicht
.

Interaktiv

Forum
Diskutieren Sie über Filme und/oder unsere Kritiken!

Mail
Was immer Ihnen an uns passt oder nicht passt.

.

Isild Le Besco: Demi-Tarif (F 2003)
Kritik v
on Ekkehard Knörer

 

Kein Vorspann, kein Abspann. Verschwommen der Beginn, verschwommen das Ende, Fragmente von Pflanzen unter Wasser, aus dem kaum Figurierten und durch Blicke zunächst kaum Figurierbaren zum kaum Figurierten. Von Wasser zu Wasser, dazwischen: beinahe keine Geschichte. Dazwischen: Die Geschichte dreier Geschwister. Wir waren sieben, acht, neun. Dazwischen: eine Stimme. Diese Stimme ist unter den magischen Rätseln des Films das größte. Die Stimme sagt wir, es ist eine zauberhafte, eine verzaubernde, eine beschwörende Stimme. Die Stimme allein beschwört hier ein Glück, als vergangenes, als unwiederholbares aus einem Ort und einer Zeit, aus dem Schein einer Gegenwart. In Wahrheit hat diese Stimme keinen Ort, keine Zeit, ist reine Beschwörung. Denn sie gehört niemandem, sie sagt wir, sie ist die Stimme eines Wir ohne Ich. Sie ist keinem der drei Kinder zuzuordnen, denn sie nennt sie alle beim Vornamen, sie kennt kein Ich.

Was beschworen wird, herauf aus dem Wasser ins Bild (nur um am Ende wieder ins Wasser zu entgleiten, wie ein Traum, ein Traum unter Wasser) ist das Glück einer Kindheit ohne Über-Ich, vaterlos, mutterlos. Die Mutter ist Instanz in der Rede, sie kam, sie verließ uns wieder, jedoch ist sie nie im Bild. Mehr als das: die drei Geschwister, zwei Mädchen, ein Junge, leben ein Leben ohne Autorität, die Väter - von Beginn an zur Mehrzahl entmachtet - werden einmal nur erwähnt, die Rede ist von der Mutter, sie, heißt es, sie sagt die Stimme, die wir sagt, aber diese Mutter tritt nur stellvertretend auf: als Puppe, die sie den Kindern geschenkt hat, noch die aber wird nach Lust und Laune geformt. Sie schneiden der Puppe, die die Mutter vertritt (sagt die Stimme, die nicht die Stimme der Mutter ist und nicht die der Kinder, die niemandes Stimme ist), die Haare, sie bemalen sie. Ein Leben der Anarchie, ohne Ordnung, ohne Zeit (oh ja, es ist vom Winter die Rede, aber als Zustand, nicht als Angabe eines Punktes), ein Leben in einem Außerhalb, das hier von der Stimme beschworen wird. Es ist das Außerhalb der Kindheit, einer erträumten Kindheit, ohne Anfang, ohne Ende, ohne Regeln. Fragmente einer Wirklichkeit: Schule, Mitschüler, die Straßen, die Metro, aber all das fügt sich wie selbstverständlich in den Zusammenhang des Traums, den dieser Film träumt, heraufbeschworen von der Stimme des Traums, der Stimme die, wie sich erinnernd, im Erinnern beschwörend, diesen Zustand, dieses ewige zeitlose Glück einer Kindheit ohne Autorität erfindet, erschafft.

Was man sieht, Szenen einer Kindheit: Spiele, Schminken, Streiche, Diebstahl. Wir stahlen, wir stahlen, wir stahlen, sagt die Stimme. Die Handkamera zeigt, ist dabei, ist in einem fortwährenden Zustand des Dabeiseins, als gäbe es keine Bilder, als wären die Bilder, die sie zeigt, keine Bilder, sondern das Leben selbst, dieser Traum von einer Vergangenheit, den die Stimme beschwört. Zuhause, draußen, immer die drei. Der Blick der Kamera - gäbe es einen - ist der unbedingter Komplizenschaft, mittendrin, hinterher, sie folgt überallhin, ins Bett, aufs Klo, ins Büro der Lehrerin, die nach den Läusen fragt und was dagegen zu tun ist. Die Welt der Erwachsenen ist eine andere Welt, in die die Kamera mit den Kindern eindringt, die sie mit ihnen wieder verlässt. Auch eine Sache der Moral: Was über dieses hier beschworene Leben, dieses Glück der Anarchie zu denken wäre, darüber nur irgend zu rechten, ist nicht Sache des Films. Die einzige Instanz, die er kennt, ist die Stimme, die hier beschwörend erzählt: Wir liebten uns, wir stritten uns. Die Kindheit, ein Schmerz, aber es ist nicht zu sagen, wo es weh tut.

zur Jump Cut Startseite

zum Diskussionsforum

.
 .
Suchen
 
Google
Web Jump Cut

 .

Newsletter

Anmelden zum Jump Cut Newsletter mit wöchentlichen News und Updates

Powered by KBX7

.

Jump Cut Partner

DVDs & Videos
Suchbegriffe:


In Partnerschaft mit Amazon.de

.

Internet Movie Database


Filmtitel Person
Powered by www.IMDb.com