1950 brach der Geologe Toni Hagen mit einer Schweizer Forschergruppe
nach Nepal auf, um im Auftrag des Maharadschas nach Bodenschätzen zu
suchen. Für Hagen wurde das kleine Königreich am Himalaya bald
zur zweiten Heimat. Er wurde offizieller Regierungsgeologe, durchquerte als
erster Europäer das weitgehend unerforschte Land und legte während
der folgenden acht Jahre 14'000 Kilometer zu Fuss zurück. Doch Hagen
war nicht nur Forscher und Abenteurer, sondern auch Philanthrop. Als nach
der Annexion Tibets durch China Tausende von Flüchtlingen nach Nepal
strömten, nahm er sich ihrer an, organisierte Lebensmittel und
Unterkünfte und trug massgeblich dazu bei, dass der Westen auf das
Tibet-Problem aufmerksam wurde und Hilfe leistete. Die Flüchtlingshilfe
prägte in der Folge Hagens ganzes Leben, das er im Auftrag von UNO und
IRK in zahlreichen Krisengebieten der Welt verbrachte.
Der Ring des Buddha folgt dem mittlerweile
83-jährigen Toni Hagen an den Ort, den er so sehr ins Herz geschlossen
hat. Auf der Suche nach dem befreundeten Mönch Rinpache, dem er aus
Dankbarkeit und um der alten Zeiten willen dessen Ring zurückgeben will,
funktioniert der Film als Melange aus Dokumentation, Spielfilm und
ethnografischen Aufnahmen mehr schlecht als recht. Im Gegenteil: von erschreckend
distanzloser Bewunderung durchzogen, geraten die Dokumentarfilmpassagen zu
einer Hymne an den rüstigen alten Herrn, der im Frage- und Antwortspiel
mit der jungen, hübschen Nepalesin Sarasvati (Sonia Mehta) Anekdote
über Anekdote zum Besten geben darf. Das alles geschieht mit derart
wenig filmischer Raffinesse, dass man sich beizeiten an das Telekolleg im
Bayerischen Fernsehen erinnert fühlt. Schwerer wiegt jedoch, dass im
weiteren Verlauf eine Haltung an den Tag drängt, die man sprachlos irgendwo
zwischen Leni Riefenstahl und Jim Knopf auszumachen glaubt. Das anfängliche
Schmunzeln beim Betrachter weicht offenem Unverständnis. Die "Ureinwohner",
sprich die Nepalesen und Tibetaner, werden auf genau das reduziert: exotisch
anmutende, farbenfroh gekleidete Gutmenschen, naiv wie kleine Kinder, ohne
eigenen Willen hilflos den Launen der Großen ausgesetzt. Dabei wird
kein Unterschied gemacht zwischen religiös-motivierten Traditionen,
politischen Verwerfungen oder etwa mitteleuropäisch-sozialisiertem
Kolonialistenverständnis. Wenn Hagens Begleiterin sich um einen halben
Tag verspätet, sind die Götter schuld. Sie hatte so ein
Bedürfnis, plötzlich, und musste auf der Stelle um Schutz für
ihr Auto ersuchen. Hagen huscht ein nachsichtiges Lächeln übers
Gesicht. Überhaupt Zeitwahrnehmung: Am Telefon schnauzt er einen Mönch
an, schnell nach Rinpache zu suchen. Seufzend bedauert er einen Wimpernschlag
später, nicht nachdrücklicher sein Anliegen vorgetragen zu haben.
Was heißt hier schon schnell. Eine Demonstration seiner Schießkunst
in einem Einschub aus seinen jugendlichen Abenteurerzeiten wird da schnell
zu überheblichem Getue und immer mehr spürt man das Unbehagen in
sich hochkriechen.
Wohlgemerkt geht es nicht darum, wieviel Wahrheitsgehalt in den einzelnen
Szenen stecken mag, sondern wie geschickt oder eben weniger geschickt es
ist, sie an diesem Punkt des Films auf jene Art und Weise zu plazieren, wenn
überhaupt. Die Aufnahmen des von Toni Hagen selbst gedrehten ethnografischen
Farbfilmmaterials aus den fünfziger Jahren passen da gut ins Bild. Geschickt
in den Kontext geschnitten, vermitteln sie die lückenlose Fortsetzung
des bereits ausgebreiteten Selbstverständnisses. Man muss hier sehr
wohl aufpassen und es sei an dieser Stelle deutlich gesagt: Sicherlich wird
man von Filmemacherseite mit den besten Absichten an dieses Projekt herangegangen
sein und unbestritten sollen die Verdienste von Toni Hagen bleiben, auch
wenn man nach dem Film genauso schlau ist wie vorher. Aber es bleibt die
Skepsis, inwieweit man seinem Objekt der Begierde einen Bärendienst
erwiesen hat.
zur Jump Cut Startseite |