Spielbergs episches Kriegsdrama bedient sich
klassischer Form. Der Weltkrieg wird eingebettet in einen heutigen Rahmen,
ganz vergleichbar wie zuletzt bei Schindlers List. Die alleräußerste
Schicht ist die beinahe durchsichtige (aber fadenscheinig ist sie bestimmt
nicht) US-Flagge, die uns, nicht zum Spott am Anfang und am Ende entgegenweht.
Die darin eingeschalte eigentliche Rahmenhandlung be- steht aus dem Besuch
des alten James Ryan auf dem Soldatenfriedhof, dem Besuch des Grabes von
Captain Miller, dem Helden des Films, der folgen wird, den wir gesehen haben.
Abgesehen davon, daß diese Form der Rahmung nicht weniger als zuletzt
bei Titanic furchtbar altbacken wirkt, entschär-fend dazu, ist die Botschaft
auf geradezu lächerliche Weise mit diesem Rahmen an den Film drangepappt,
der dann doch zum Glück ein wenig anders ist.
Am Anfang (wie dann wieder am Ende) sieht man
sich mitten in die Schlacht geworfen, es ist die Landung der US-Truppen an
der französischen Atlantikküste. Ehe man Gesichter identifizieren
lernt, liegen ihre Besitzer schon zerfetzt am Boden. Nur Tom Hanks, den kennt
man, und es ist klar, daß er der Held sein wird. Diese ersten zwanzig
Minuten, die von der Kritik sehr gefeiert werden, stellen so etwas wie die
filmische Rhetorik des Realismus in Reinform dar. Wie schon in Schindlers
Liste, gehen Spielbergs Vorstellungen von Repräsentation in Bildern
nicht ein Jota darüber hinaus. Diese Rhetorik ist, buchstäblich
wie metaphorisch, eine Rhetorik der Großaufnahmen. Die Überblendung
von der Gegenwart auf die Ver- gangenheit besteht folgerichtig aus einem
Zoom auf das Gesicht, auf die Augen des alten James Ryan. Kein Haar seiner
Braue darf dem Kamerablick entgehen. Damit ist die Sprache für das Grauen
gefunden. Zum Vokabular gehört die subjektive Kamera, die in aller
Unsichtbarkeit die Mimesis des Dabeiseins betreibt und zittert, bebt und
wackelt. Dazu die Tonspur, die auf jede Musik verzichtet, aber in Stereo-
ton Granatsplitter, Mörser, Geschützfeuer von allen Seiten auf
den Zuschauer einprasseln läßt. Kein zerschossener Körper,
kein sterbender Soldat wird ausgelassen, nie wird vom grauenhaften Geschehen
weggeschwenkt. Die agressive Kamera simuliert die totale Passivität
bloßer egalitärer Teilnahme. Man kann sich fragen, wie weit diese
Form von Darstellung, Repräsentation reicht - und das heißt
hier, wie in Schindlers Liste: ob sie im frontalen Abbilden entsetzlichen
Elends, sinnlosen Sterbens und Mordens nicht die Grenze zu Obszönität
überschreitet. Obszön, im ursprünglichen Sinn
des Wortes, weil sie Kontrolle und Souveränität gerade
durch die Ungerührtheit (oder den Rückgriff aufs Repertoire der
Gerührtheit) des Blicks auf die Szene behält, des Blicks auf
das, was nicht Teil der Szene
werden darf.
Immerhin ist dieser Anfang zusätzlich
desorientiert dadurch, daß es noch keine individualisierten Figuren
gibt, also noch keine Helden als narrative Sinngebung des Sinnlosen geben
kann. Das holt der Film freilich im Anschluß in aller Ausgiebigkeit
nach, indem er eine Gruppe von acht Leuten unter Führung von Captain
Miller (Tom Hanks) auf die Suche nach dem einfachen Gefreiten James Ryan
schickt. Diese Suche ist nun mehr auf einmal: Bewährungsprobe der Soldaten,
deren Charaktere wie in vergleichbaren Filmen in niemals gefährlicher
Entfernung vom Klischee entworfen sind. Tom Hanks gibt dabei den edlen
Übermenschen, der ob des Zurückweisens aller Anfeindungen und des
Faust-in-der- Tasche-Ballens schon ein psychosomatisches bzw. symbolisches
Zittern in der rechten Hand hat, aber, militärisch wie menschlich, immer
im rechten Moment das richtige zu tun weiß. So sehr, daß er am
Ende für seinen Edelmut sterben muß, getötet von einem Deutschen,
dem er zuvor das Leben geschenkt hat. Gerächt wird er, als handele es
sich um einen Western (und in diesem Moment ist es das auch), durch den erst
in diesem Moment von seinem ungerechten Zorn zum Schußwaffengebrauch
befähigten Intellektuellen, der die Identifikationsfigur für die
Nichtmilitaristen im Publikum ist. Damit ist die Suche für alle Beteiligten
zu einem Ende gekommen. Das Vermächtnis von Captain Miller an James
Ryan, der, farblos wie gewohnt, von Matt Damon gegeben wird, ist dann auch
sowas wie des Vermächtnis des Films an seine Betrachter: verhalte dich
stets so, als müßtest du mit deinem Leben, so kontingent es scheinen
mag, den Tod all der sinnlos sterbenden anderen rechtfertigen. Edel also
sei der Mensch, hilfreich und gut.
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