Was Claire Devers Film erzählt ist, cum grano salis,
wirklich geschehen. Eine am Rande des Existenzminimums lebende, als
Reinigungskraft in der Fleischindustrie arbeitende und damit weniger, als
ihr durch staatliche Unterstützung möglich wäre, verdienende
Mutter von zwei Kindern wird beim Diebstahl von Fleisch und Fisch in großen
Mengen erwischt. Sie kommt vor Gericht, wird freigesprochen, da es sich um
eine Notlage gehandelt haben soll. Als das Urteil öffentlich wird, scheiden
sich die Geister, der Fall wird neu verhandelt und sie wird zu einer Geldstrafe
verurteilt.
Die Diebin von Saint-Lubin hat keinen anderen Ehrgeiz, als
diese Geschichte so konzise wie möglich nachzuerzählen. Devers
setzt auf Nüchternheit, auf eine glänzende Hauptdarstellerin (Dominique
Blanc), mit der man sympathisiert, jedoch ohne manipulativen Enthusiasmus.
Erzählt wird nichts über das hinaus, was man wissen muss,
eingeführt und ausgeführt werden die Figur des Pflichtverteidigers,
der Richterin der ersten Instanz. Furios ist Francoise Barniers erster Auftritt
vor Gericht, famos ihre Abwehr des Rattenfängers vom Front National
(der Name der Partei ist im Bild flimmernd abgedeckt wie sonst nur Genitale).
Der Film wählt, klar, ihre Perspektive, steht ganz auf ihrer Seite.
Das Ergebnis ist dennoch nicht Agitprop, sondern ein schlichtes,
nachdrückliches Plädoyer für diese Frau und auch eine
wohlformulierte Anklage gegen eine Gesellschaft, die geschehen lässt,
was der "Diebin von Saint-Lubin" geschehen ist.
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