Christian Petzold: Die innere Sicherheit (D 2001)

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Christian Petzold: Die innere Sicherheit (D 2001)

D 2001

Regie: Christian Petzold

Mit Barbara Auer, Julia Hummer, Richy Müller, Bilge Bingül

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Christian Petzold: Die innere Sicherheit (D 2001)
Kritik von Ekkehard Knörer

  

Eine Szene am Strand von Portugal: ein junger Mann bittet eine junge Frau um eine Zigarette, sie kommen ins Gespräch. Irgendetwas aber stimmt nicht. Die junge Frau wirkt unruhig, blickt immer wieder ins Leere. Plötzlich springt sie auf, geht grußlos davon. Auch ihre Eltern sitzen am Strand, lesend, und doch ist vom ersten Moment an klar: sie sind keine Touristen. Jeannes Eltern sind Terroristen (ohne dass ein einziges Mal das Wort RAF fallen müsste), seit vielen Jahren auf der Flucht, Jeanne ist die Geisel dieser Situation, hin- und hergerissen zwischen Solidarität und Rebellion. "Die innere Sicherheit" ist ein Film über diese Situation, die eine Konstellation erzeugt: die Kleinfamilie unter Hochdruck.

Der Film ist außerordentlich klug darin, ganz und gar die Perspektive des Tunnelblicks zu übernehmen, zu dem die Familie gezwungen ist, ständig auf der Hut, immer in Angst vor Denunziation. Diese Angst verkörpern die Darsteller mit brillantem Understatement: die Hysterie steckt als stumme, um ein Haar ausdruckslose Daueranspannung in jeder Bewegung, in jedem Blick, mit dem die Umwelt mit zwangssemiotischer Aufmerksamkeit gemustert wird, ja, in jedem Wort, das man spricht. Petzold verdichtet diese Konstellation immer wieder zu Einstellungen: die drei stehen mit ihrem Auto (das ohnehin die ambivalente Metapher für Flucht und Geborgenheit, engsten Raum und Bewegung abgibt) an einer Kreuzung, dunkle Wagen nähern sich von allen Seiten. Hans, der Vater, steigt aus, hebt die Hände, will sich ergeben. Nichts geschieht, die Autos fahren einfach weiter. Diese Szene ist fast nicht realistisch, die Konstellation ist hier an eine Grenze getrieben, an der die Repräsentation beinahe völlig abstrakt wird, Allegorie der (begründeten) Paranoia.

"Die innere Sicherheit" ist ein sehr strenger Film, der auf alles Überflüssige mit Entschiedenheit verzichtet, der viele Umstände unerklärt lässt, Menschen auftauchen lässt, von denen man buchstäblich nichts erfährt (Interessant daran, dass sich Christian Petzold für alle seine Figuren Vorgeschichten ausdenkt, sie so also abrundet und erklärt und erweitert: Er scheint das zu tun, um dann im Film alles weglassen zu können. Von diesen psychologischen Schlacken ist in seinen kargen, geradezu asketischen Einstellungs-Miniaturen nichts mehr übrig). Petzold erlaubt sich und dem Zuschauer keinen Moment der Entspannung, des Aufatmens, der Komik. Jede Szene, jedes Wort, jede Geste scheint das Ganze in sich zu tragen, das Gesamtbild ergibt sich aus dieser Kette von nur unterschiedlich beleuchteten Hologrammen.

Jeanne, das ist der die Konstellation verschärfende, ins vage Gegenlicht einer Alternative stellende Plot des Films, wagt den Ausbruch, flieht für Momente den durch familiale Liebes- und Hassverhältnisse noch einmal gesteigerten Gruppendruck - und kann ihm doch keine Sekunde entkommen. Die Liebe zu Heinrich, dem jungen Mann, den sie in Portugal kennengelernt hat, ist von Anfang an durchkreuzt von ihrer Unmöglichkeit. Umgekehrt trägt Jeanne die Sehnsucht nach dem Ausbruch, die natürlich auch eine nach Normalität ist, mitten hinein in die nur mit äußerster Disziplin zu stabilisierende Ausnahmesituation in Permanenz. Jeanne ist für Hans und Klara, bei aller Liebe, der Feind im eigenen Haus: der Zweifel, den man nicht beseitigen kann. Der Traum von Normalität, den man sich verbieten muss.

Die Auflösung der Verstrickung erfolgt am Ende, ganz überzeugend, unpsychologisch, dramatisch, brutal und enigmatisch. Das Schlussbild verspricht Abbruch und Neubeginn zugleich, Abschied und Freiheit, ein offenes Ende par excellence, das aber, vor jeder konkreten Fantasie eines Weiter, einer neuen Konstellation und auch vor aller Trauer abgeblendet wird.


Die DVD-Extras bestreiten Regisseur Christian Petzold und Barbara Auer, die Darstellerin von Klara. Im Interview mit den beiden erfährt man von Spannungen zwischen Auer und ihrer Film-Tochter Julia Hummer, aber auch viel über die Herangehensweise von Petzold. Sehr instruktiv ist der direkte Audio-Kommentar von Petzold und Auer, den man  im Menü als Tonspur unter den ganzen Film legen kann.

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