Roger Michell: Die Mutter (GB 2003)

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Roger Michell: Die Mutter (GB 2003)

 

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Roger Michell: Die Mutter (GB 2003)
Kritik v
on Ulrike Mattern

 

Einsame Vagabunden

Ein Schriftsteller, Mitte sechzig, wechselt seinen verbrauchten Körper gegen einen taufrischen aus. Eine Witwe im selben Alter verliebt sich in den Lover ihrer Tochter. Zwei Geschichten. Ein Autor.

Die Erste erzählt der britische Schriftsteller Hanif Kureishi in seinem neuen Buch "In fremder Haut". Adam plagen etliche Zipperlein. Auf einer Party bietet man ihm immer währende Jugend wie prickelnden Champagner an. Für sechs Monate lässt er sein Gehirn in einen straffen Körper transplantieren. Hämorriden und Heizdecken ade. Aus Adam wird Leo, der dynamische Globetrotter.

Die zweite Story - Drehbuch: Kureishi - startete unter dem Titel "Die Mutter" in der Regie von Roger Michells ("Notting Hill", "Spurwechsel") in den Kinos. May lebt mit ihrem Mann in einer Kleinstadt. Ihre Kinder sind aus dem Haus und wohnen in London. Die Eltern packen die Koffer für einen Besuch in der Metropole. Dort stirbt der Vater an einem Herzinfarkt. Tochter und Sohn wollen die Mutter rasch wieder loswerden. May erweist sich als unerwartet eigensinnig. Sie bleibt in London und beginnt eine Affäre mit dem dreißig Jahre jüngeren Liebhaber der Tochter.

Der Schriftsteller Hanif Kureishi, 1954 in Bromley geboren, Sohn einer Engländerin und eines Pakistani, ist nach wilden Jahren in der Londoner Szene in der Mittelschicht gelandet. Migration, Rassismus und Homosexualität waren in den 80ern Themen seiner Drehbücher, die von Stephen Frears verfilmt wurden. "Mein wunderbarer Waschsalon" brachte Kureishi 1984 eine Oscar-Nominierung ein. Mit den witzigen Schilderungen aus einer indischen Enklave in der Londoner Suburb ("Der Buddha aus der Vorstadt") gewann er 1990 den angesehenen Whitbread Prize und festigte seinen Ruf als unkonventioneller Literat.

Respektlos ging's weiter. In den 90ern schlug Kureishi Beziehungsschlachten und reflektierte den fortschreitenden Erosionsprozess seiner männlichen Protagonisten. Seine Novelle "Intimacy" sorgte für Aufregung wegen der Vermischung von Fiktion und Realität. Ihre Adaption durch Regisseur Patrice Chéreau schockierte 2001 auf der Berlinale durch den Austausch von Körperflüssigkeiten in der Großaufnahme und gewann den Goldenen Bären.

Nahezu alles, was der Brite aufs Papier bringt, findet den Weg auf die Bühne, die Leinwand oder ins Fernsehen. Für seinen Roman "In fremder Haut" interessiert sich eine amerikanische Produktionsfirma. "Sie mögen die Idee, aber sie sind sich wahrscheinlich nicht der Ironie und Komplexität der Geschichte bewusst", bemerkte der Autor bei einem Gespräch am Rande des Literaturfestivals in Berlin, auf dem er "Die Mutter" vorstellte.

Die Ablehnung, auf die besonders beim jüngeren Publikum die Liebesszenen zwischen May (Anne Reid) und ihrem Lover Darren (Daniel Craig) stießen, erstaunte Kureishi nicht. "Ich habe diese Reaktion erwartet", erläuterte er, "weil die Idee schockiert, dass unsere Eltern Sex haben. Die Vorstellung, dass man mit 70 Jahren einen Orgasmus hat, entsetzt einige Leute." Die zärtlich gefilmten Sequenzen sind nicht der einzige Tabubruch in diesem Film. Die Mutter, die ihre Tochter betrügt, handelt sich ein blaues Auge ein. Der Schlag ins Gesicht erschüttert das zerbrechliche Fundament der "heiligen Familie". May verlässt London, packt in ihrem alten Heim wieder die Koffer und geht auf Reisen. Vielleicht trifft sie unterwegs auf Adam, der in fremder Haut einsam durch die Welt vagabundiert.

Hanif Kureishi: In fremder Haut. Kindler-Verlag, 14,90 Euro

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