Bret Easton Ellis zu verfilmen wurde bereits mehrfach mit
unterschiedlichem Ansatz und unterschiedlichem Erfolg versucht. Roger Avery,
der vor allem als Pulp Fiction Ko-Autor zu Ruhm und Ehre kam und mit "Killing
Zoe", einem durchgeknallten "Caper-Movie", 1994 sein Regiedebüt gab,
unternimmt den Versuch, die Essenz von Ellis Romanen, in diesem Fall "Rules
of Attraction", quasi eins zu eins auf die große Leinwand zu bringen.
Es gibt in "Die Regel des Spiels" Momente, in denen das auf atemberaubende
Weise gelingt, um kurz darauf in ernüchternder Vorhersehbarkeit zu
ersticken, die den Film leider viel zu nahe ins direkte Umfeld überdrehter
Teeniekomödien à la "American Pie" rückt.
Wie im Roman stehen im Mittelpunkt der Handlung, die sich bis auf
zwei Szenen ausschließlich im Mikrokosmos eines amerikanischen College
Campus abspielt, der drogendealende Ladykiller Sean Bateman (James van der
Beek), die träumerische Lauren (Shannyn Sossamon) und der bisexuelle
Paul Denton (Ian Sommerhalder). Während der Pressetext konsequent an
den Realitäten des Films vorbei von abartig attraktiven Menschen
auf der Überholspur des Lebens spricht, handelt es sich vielmehr
um die exemplarische Darstellung perspektivloser junger Leute, die im
allabendlichen Partysumpf ihre Angst vor dem Erwachsenwerden ertränken,
wegficken, zudröhnen. Avery findet für diesen beängstigenden
Zustand auch eine stilistische Entsprechung, indem er die narrative Struktur
des Films durch geloopte Sequenzen wie ein scratchender DJ aufbricht, hin
und herschiebt und durchaus kunstvoll in ein zeitliches Kontinuum einbettet.
Konkret: Szenen werden wie im Videorekorder abrupt angehalten,
zurückgespult, um sich dann mit einem perspektivischen Wechsel erneut
in eine andere Richtung zu entfalten. Ein spannender Einfall, der nicht nur
die Stagnation der Figuren auf den Punkt bringt, sondern, auch durch die
rückwärtslaufende Tonspur, eine atmosphärische Entsprechung
verzerrter Wahrnehmung bedeutet. Zwischen diesen Bruchstellen entwickelt
sich dann aber eine im negativen Sinn konventionelle Teeniegeschichte, frei
nach dem Motto: A liebt B liebt C liebt niemanden. Wenn D dann A liebt, bleibt
nur noch der Suizid.
Dieser Widerspruch, so möchte man meinen, mag Teil des Konzepts
sein, ja sogar des Setups der Figuren selbst, die zwischen hyperaktiven
Rauschzuständen und zutiefst deprimierender Ausweglosigkeit oszillieren.
Irritierend ist dabei jedoch, dass Avery offensichtlich der dem Stoff immanenten
Leere nicht ausreichend kommerzielles Potential zuzutrauen scheint und die
Handlung durch allerlei Späße auflockert, die deutlich auf ein
Collegefun-affines junges männliches Publikum abzielen. Zugegeben, es
ist schwer den Stillstand von Ellis Protagonisten zu dramatisieren, zumindest
wenn man dabei auf etablierte filmische Verfahren des Erzählfilms
zurückgreift. Umso ernüchternder ist es, einem Autorenfilmer bei
der Arbeit zuzusehen, dessen Wahl der (stilistischen) Waffen auf eben diese
Einsicht hinweist und der sich dennoch dem Diktat massenkompatibler Aufbereitung
beugt - beugen muß (?).
Sicher liegt das Mißlingen über weite Strecken des Films
auch an den Darstellern, die durch die Bank nicht in der Lage sind, die
aufgekratzte Zwiespältigkeit ihrer Figuren spürbar zu machen. Erst
wenn relativ spät im Film Kip Pardue als Victor auftaucht, und,
zunächst von der Regie durch eine waghalsig rasante "Europe in 10 Days"
Sequenz gejagt, in einem Diner sitzend, genau diese bis dorthin schmerzlich
vermißte Qualität erfühlbar macht, ahnt man, was mit einer
anderen Besetzung möglich gewesen wäre. Die Diskrepanz zwischen
spannenden inszenatorischen Einfällen, die durchaus als filmische
Entsprechung Ellis-spezifischer Erzählstrukturen (meisterhaft demonstriert
im vielleicht stärksten Ellis-Roman "The Informers") durchgehen, und
den langweilig abgearbeiteten Liebeleien, wäre dann sicher weit weniger
augenfällig gewesen, und vielleicht hätte es nur dieser vergleichsweise
kleinen Veränderung bedurft, um aus "Rules of Attraction" ein kleines
Meisterwerk zu destillieren.
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