Alexander Payne: Election (USA 1999)
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Election

USA 1999
Regie: Alexander Payne
Mit Reese Witherspoon

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Interview mit Alexander Payne und Jim Taylor


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KRITIK

Election (Regie: Alexander Payne, Drehbuch: Payne und Jim Taylor) beginnt mit friedlichen Bildern der Carver Highschool. Die Schule sieht neu aus, noch unbenutzt. Auch die Straßen, Häuser und Vorgärten der Kleinstadt Omaha, in der der Film spielt, wirken neu und unbenutzt, provisorisch, wie Stücke, die darauf warten, zu einem Ganzen zusammengefügt zu werden. Wenn Matthew Broderick als Lehrer Jim McAllister gleich am Anfang den Lehrerkühlschrank ausmistet und dabei eine Ladung Fast-Food-Nudeln am Mülleimer vorbei auf den Fußboden wirft und dafür einen hasserfüllten Blick vom Hausmeister erntet, dann ahnen wir schon, dass Jim McAllister fällig ist, er, der behauptet, dass sein Leben genau so verläuft, wie er es sich immer vorgestellt hat.

Der Film etabliert noch während der Credits Tracy Flick (Reese Witherspoon), einen kleinen, pausbäckigen Overachiever. Tracy sieht die Schule nur als Startrampe für eine glanzvolle Karriere, und diese Karriere plant sie auf wohlig altmodische Weise: Sie lässt sich für alle Ämter wählen und folgt einem straffen Tagesablauf. Als die Schülersprecher-Wahl ansteht, gibt es für sie keinen Zweifel: Sie wird antreten und gewinnen. McAllister behagt Tracys geschäftige Art überhaupt nicht, und weil sie keinen Gegenkandidaten hat, überredet er den Football-Star Paul, bei der Wahl anzutreten. Paul hat gerade Streit mit seiner Schwester Tammy: und plötzlich stellt sich Tammy auch zur Wahl.

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Und warum das alles? Election behandelt Motivationen souverän: Tracy ist vielleicht mit einer emotional zurückhaltenden Mutter und ohne Vater aufgewachsen und hat keine Freunde, aber wie verloren sie wirklich ist, das ahnen wir erst, wenn ihre Mutter sie nach der vermeintlichen Niederlage bei der Schülersprecher-Wahl zu tösten versucht: "Maybe you needed more posters, honey, or if you'd taken my suggestions about your speech." In diesem dahingeworfenen Satz offenbart sich das Mutter-Tochter-Drama mit allen Facetten zwischen Liebe und Eitelkeit. Wo sich andere Filme mit zeilenlangen Monologen über die Vorgeschichte der Figuren abplagen, ist Election elegant und sanft ironisch. Dass Tammy lesbisch ist, davon ahnen Paul und die Eltern nichts. So ist dem Bruder auch verborgen geblieben, dass seine neue Freundin Lisa vorher mit Tammy zusammen war. Paul versteht nicht, warum Tammy gegen ihn antritt, aber er scheint Spinnereien von ihr gewohnt und kommentiert das, indem er ihr viel Glück wünscht und sagt, dass er und sie - egal, wer schließlich gewinne - immer noch Geschwister seien, "auch wenn du nur adoptiert bist". Das kommt völlig überraschend.

Wenn Daves einsame Frau Linda - mit der Jim eine Affäre begonnen hat - Jims Frau alles erzählt, dann tut sie das ohne ersichtlichen Anlass. Und doch sind wir so weit, Linda den undramatisierten Raum zuzugestehen, in dem sie Gewissensbisse bekam. Die Motivationen werden angedeutet, ein Blick, ein Nebensatz, eine Ahnung, statt richtiger Plotpoints.

Election wirkt übrigens jetzt - nach der Daily Soap "Präsidentschaftswahl 2000" - wie eine satirische Aufarbeitung der Ereignisse: ungültige Stimmzettel, mehrfaches Zählen, wütende Anhänger und ein parteiischer Wahlleiter. Der Roman "Election" von Tom Perotta, auf dem das Drehbuch basiert, war allerdings inspiriert von der Wahl 1992 mit Ross Perot als drittem Kandidaten. Election macht kein Statement über heutige Politik, auch wenn sich das jetzt so anhört. Election hat einfach ein paar Figuren, die dem Zuschauer weismachen wollen, dass sie ihr Leben unter Kontrolle haben, während ihnen gleichzeitig die Dinge entgleiten. Um das zu zeigen, setzen Payne und Taylor Voice-Over ein, und zwar auf eine Art, die einem den Atem raubt: die Hauptfiguren buhlen um die Gunst des Zuschauers, sie erklären, reflektieren, rechtfertigen, beschuldigen und wenn es ganz schlimm kommt, dann schreien sie auch mal. McAllister und Tracy sind die Hauptgegner, sie ticken ähnlich, beide sind selbstgerechte Verdränger, sofort bereit, die Regeln zu brechen, um die eigenen Ideen zu verwirklichen.
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Zu dem, was wir sehen, verhalten sich die Voice-Over-Sätze unterschiedlich, doch herrscht das entlarvende Bild vor: etwa, wenn McAllister behauptet, er und seine Frau führten eine wunderbare Ehe - während die beiden sich wortlos beim Essen gegenübersitzen.

Bisweilen wirkt Election wie eine Studie über die Möglichkeiten der Bild-Voice-Over-Beziehung, und gleich am Anfang gibt es einen wunderbar ambivalenten Moment, wenn McAllister feststellt: "I knew I touched the students' lives during their difficult young-adult years, and I took that responsibility seriously." Dabei sehen wir, wie McAllister eine heulende Schülerin an der Schulter berührt: die Hand auf der Schulter doppelt den Ausdruck "touched the students' lives" und die Szene erhält plötzlich einen schlüpfrigen Unterton, der wie eine unbedachte Bemerkung Dinge verrät, die der Sprecher gerne verschwiegen hätte. Wenig später wird sein bester Freund und Lehrer-Kollege Dave nicht nur Tracys Leben, sondern auch ihren Körper berühren, und McAllister wird Phantasien haben, in denen Tracy eine gewisse Rolle spielt.

Wenn Dave mit Tracy in der Dunkelkammer Sex hat, erläutert Tracy: "Since I grew up without a dad, you might assume psychologically I was looking for a father figure. But that had nothing to do with it at all. It was just that Dave was so strong and made me feel so safe and protected." Der Film entwickelt eine unglaubliche Dynamik, weil es Payne und Taylor immer wieder gelingt, mit Hilfe solcher Momente den Figuren blitzartig Tiefe zu geben. So betrachtet der Zuschauer diese Figuren aus einer Perspektive, die durchaus von Überlegenheit, aber auch von Verstehen und Empathie geprägt ist. Sind sie erst mal alle eingeführt, kann man nicht mehr genug bekommen von diesem Vielklang der Stimmen.

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