Was für ein Titel! Fickende Fische, der erste
Langfilm der Regisseurin Almut Getto, hätte allein für diese
Originalität eine Auszeichnung verdient. Den NRW-Nachwuchspreis für
Regie und einen Filmpreis beim Max-Ophüls-Festival erhielt die Regisseurin
für die warmherzige Liebesgeschichte zwischen dem 16-jährigen Jan
und der ebenso alten Nina.
Fickende Fische spielt in Dortmund, das hier ohne die
üblichen Klischees in Szene gesetzt wird. Es geht um Fische, weil Jan,
der HIV-positiv ist, die Unterwasserwelt liebt. Am Anfang liegt der Junge
in der Badewanne und übt das Ertrinken. Beim Überqueren der
Straße bewegt er sich in einem Tagtraum wie ein Guppy durchs kühle
Blau. Ein in sich versunkener Einzelgänger, der seine Grenzen auslotet
und abrupt das Gleichgewicht verliert, als ihn Nina auf ihren Inlineskatern
umwirft. Das wird sie ein zweites Mal tun, dabei seinen Fisch töten
und sich dann ungestüm in sein Leben werfen.
An manchen Stellen weicht der Film von seiner traumverlorenen Balance
ab und wirkt konstruiert: mit dem agilen Großvater, dem aufgesetzten
Ruhrpott-Slang und mit der die Erzählung wenig voranbringenden Nachbarin.
Dass der aidskranke Freund von Jan stirbt, hinterlässt den Beigeschmack
einer Vorabendserie.
Wichtig für die Handlung sind die beiden umwerfenden Hauptdarsteller:
Sophie Rogall als Nina und Tino Mewes als aidskranker Jan. Sie durchleben
die Höhen und Tiefen der ersten Liebe, die durch die Krankheit von Jan
kompliziert wird. Missverständnisse und Zurückweisung sind
programmiert. Der Tod, die Fische, das Schwimmen ins Blaue bleiben immer
wieder kehrende Motive wie die Frage: Haben Fische Sex?, und
die nicht ausgesprochene Unsicherheit: Werden wir Sex haben?
So humorvoll, nah an den Menschen und dem sozialen Umfeld sind deutsche
Regisseure selten. Die Wahrhaftigkeit, die Almut Getto in einem quasi
dokumentarischen Stil inszeniert, erinnert an die so genannten Milieufilme
Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre: Die Abfahrer und Jede
Menge Kohle von Regisseur Adolf Winkelmann oder Die
Heartbreakers von Peter F. Brinkmann. Alles Produktionen aus dem
Ruhrgebiet, in denen authentisch agiert wird. Wie auch in Fickende
Fische, einem der schönsten deutschen Filme dieses Jahres - wenn
man das Mitte August schon sagen darf.
Am Ende stürzen Nina und Jan in einer Reminiszenz an Thelma
& Louise mit ihrem Auto über ein Brückengeländer
in den Abgrund, der im Fall der beiden Teenager der Fluss ist, in dem sie
ins Meer treiben. Alles gelebt, alles gesagt, und allein die Utopie der beiden,
die wie Fische ins unendliche Blau schwimmen, bleibt. Was für ein
Film!
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