Martin Scorsese:Gangs of New York (USA 2002)

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Martin Scorsese:Gangs of New York (USA 2002)
Kritik von Ekkehard Knörer

[Image]

"Gangs of New York" ist eine Kompromissgeburt, drei Stunden lang, aber gerade nicht epischen Ausmaßes. Zwei Thesen haben die Macher zum historischen Geschehen, die sich widersprechen. Zur Folge hat das zwei Darstellungsoptionen, die der Film beide mit halbem Herzen wählt. Sie passen nicht zueinander und darum laviert "Gangs of New York" zwischen zwei Filmen, die er nicht sein möchte und darum auch nicht ist. Eine noble Ruine, die es zwischen Mythos und Historie zerreißt. Eine Anstrengung, die beinahe wirkungslos verpufft.

So hat der Film, zum einen, ein Verhältnis zur Geschichte: freilich ein ungeklärtes. Über die historischen Tatsachen, mit denen er es zu tun hat, will er hinaus. Der Weg führt zum Mythos. Das hieße: Verdichtung, Zurichtung, Heldenbildung. Die historische These, mit der "Gangs of New York" sich trägt, - und vermutlich ist sie ganz zutreffend - spricht gegen diesen Zugang. Nichts nämlich ist übrig in den amerikanischen oder New Yorker Ursprungsmythen von Five Points, es gab hier (was natürlich, wie stets, keine Frage der Tatsachen ist, sondern ihrer nachträglichen Konstruktion) keinen Buffallo Bill und keinen Abraham Lincoln, die in den Schulbüchern und Legenden ihr gespenstisches Nachwesen treiben. Der Überlieferung nach war der Süden Manhattans ein Rattenloch, in dem Mord- und Totschlag innerhalb einer in Clans zersplitterten Unter- und Zwischenwelt an der Tagesordnung waren. Diese Überlieferung möchte der Film, einerseits, nicht in Frage stellen.

Die ästhetische Konsequenz wäre allerdings ein Panorama der Unordnung, ein in Blut und Betrug aufgebrochenes Porträt, das nicht nur die Idee zivilisatorischen Fortschritts, sondern auch möglicher Heroismen für die Dauer der Darstellung suspendiert. Die Gesetze Hollywoods stehen, nicht nur in der massigen Gestalt Harvey Weinsteins, dagegen, auch für einen Martin Scorsese, der justament in seinem letzten Film "Bringing Out the Dead" einen roten Faden nur als sich verlierende Spur durch fiebrige Bilder scheinen ließ. "Gangs of New York" dagegen macht es sich bequem in einer so verlässlichen wie konventionellen Struktur. Zwei Männer treten gegeneinander an, früh bringt der Film sie manichäisch in Stellung: der Sohn eines Priesters zum einen, der Teufel zum anderen, auf ihren Kampf läuft es hinaus, um seine Helden ordnet das Drehbuch die Lage der zerstreuten Einzelteile wie Eisenspäne im magnetischen Feld.

Die blutige und unübersichtliche Geschichte der Stadt, die zu schmutzig und zu kontingent ist, um zum Mythischen zu taugen, wird dann doch als vor-geschichtlicher Mythos rekonfiguriert. Der gute Wille, diesen Fehler einzusehen, wirkt sich aus als Verschleppen der Spannung in der Erweiterung des Bildes: es gibt Ausblicke in die bessere Gesellschaft, ins Medienkritische und Politische. Das bleiben freilich Akzentsetzungen ohne Durchgriff auf die Struktur. Ideen-Streusel, die den Mythos als totes Gewicht beschweren. Da rennt P.T. Barnums Elefant durchs Bild und nicht nur Amsterdam Vallon traut seinen Augen nicht. Das Dilemma des Films fährt als Riss zuletzt zwischen seine beiden Helden. Daniel Day-Lewis verzeichnet seinen Schurken grimassierend ins Überdeutliche, während Leonardo DiCaprio auf die Dämpfung seiner Figur zum Charakter setzt. Sie spielen, könnte man sagen, nicht im selben Film. Die Wahrheit ist: "Gangs of New York" ist nicht ein- und derselbe Film, sondern zwei in einem, die sich zu sehr viel weniger als der Summe ihrer Halbheiten addieren.

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