Claude Nuridsany, Marie Pérennou: Genesis - The Very Beginning (F 2004)

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Claude Nuridsany, Marie Pérennou: Genesis - The Very Beginning (F 2004)

 

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Claude Nuridsany, Marie Pérennou: Genesis - The Very Beginning (F 2004)
Von Christoph Nuehlen

 

Vor einem halben Jahrhundert demonstrierte Walt Disney: "Die Wüste lebt". Nun ist es an der Zeit dem Wunder des Lebens selbst einen Film zu widmen. "Genesis" ist die Geschichte vom großen Ganzen, von Materie, Atomen, der Zeit, Liebe, Geburt, Leben und Tod. In der bildreichen Sprache der Mythen und Märchen erzählt ein afrikanischer Schamane (Sotigui Kouyaté) von der Geburt unseres Universums, von den vulkanischen Anfängen unseres Planeten und dem ersten Leben auf der Erde. ‚Genesis' bedeutet Ursprung und ist auch der Titel des ersten Buches der Bibel, welches die gesamte Schöpfung als Werk Gottes darstellt.

Der Film ist das Projekt der begeisterten Biologen und Tüftler Claude Nuridsany und Marie Pérennou. "Mikrokosmos", ihr erster Kinofilm, hatte 1996 seine Weltpremiere in der Offiziellen Auswahl des Filmfestivals von Cannes. Er lief außerhalb des Wettbewerbs und wurde mit dem Großen Preis für Technik ausgezeichnet. 1997 kamen fünf französische Césars hinzu. "Genesis" ist ihr zweiter abendfüllender Film und aller Romantik am Rande des Kitsches zum Trotz einen Kinobesuch wert. Zwei Jahre lang hat allein die Entwicklung der Filmausrüstung gedauert. Insgesamt arbeiteten sie fast sechs Jahre an dem Projekt. Einige Sequenzen wurden im Studio Éclair in Epinais-sur-Seine, andere im Haus der Filmemacher in Aveyron gedreht. Der überwiegende Teil des Films entstand an Originalschauplätzen in Frankreich, Island, Madagaskar, auf den Galapagos Inseln und in Polynesien. Faszinierende Bilder sind das Ergebnis. Jede Einstellung wirkt so schön und spektakulär als habe Gott persönlich einen Werbefilm in Auftrag gegeben. Außergewöhnliche Farbspektren breiten sich in großen Kreisen und allen möglichen anderen Formen auf der Leinwand aus. So beginnt der Film mit einem faszinierenden Farbenspiel, das sich als Vitamin C in extremer Vergrößerung entpuppt, wie es sich in Wasser in Mikrokristalle auflöst. Wenn man mit der Biologin Perennou über das Verhältnis von Mensch und Natur redet, beklagt sie den verlorengegangenen Blick auf die Schöpfung und schwelgt in Begeisterung über die Schönheit von Fauna und Flora. "Wir wollten ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen Mensch und Tier, zwischen Leben und so genannter seelenloser Materie vermitteln. Materie, längst "schwanger" mit Leben, obwohl selbst nicht lebendig, hatte das Potenzial, Leben zu gebären. Wir wollten keinen Dokumentarfilm im traditionellen Sinn machen, sondern Raum für Gefühle, Träume und Assoziationen lassen. Der Zuschauer sieht zwar wirkliche Vorgänge, gleichzeitig geht aber seine Phantasie auf Reisen. Es war uns wichtig, völlig auf digitale Bilder zu verzichten und ausschließlich natürliche Elemente zu zeigen," sagt sie,"weil die Unvorhersehbarkeit von Materie viel überraschender ist und eine ganz eigene, poetische Kraft hat." Claude Nuridsany ist zurückhaltender als seine Kollegin. Die Rollenverteilung ist so klassisch wie perfekt. Sie ist für die Romantik, er für die Technik verantwortlich. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeiten die beiden bereits zusammen, produzieren Bildbände, Fernsehbeiträge und Photoreportagen.

Seitdem es das Kino gibt, suchen Filmemacher nach dem Stoff, aus dem die Helden sind. Diese Franzosen haben ihn gefunden. Die Rätsel der Natur, der Tiere und der Pflanzen sind die Stars ihres Films. Brodelnde, kochende, flüssige Erde bahnt sich ihren Weg, wird schließlich zäh und erstarrt. Gewaltige Wassermassen stürzen vom Himmel, füllen Rinnsaale, Flüsse, riesige Landschaften und lassen Ozeane entstehen. Im Wasser entdecken wir Amöben, Einzeller ohne bestimmte Form. Rauchringen ähnlich, die ihre Kontur in der Luft ständig verändern. Quallen schweben vorbei. Kindergeschrei ist zu hören. Etwas zappelt über die Leinwand. Plötzlich wird deutlich: Unzählige Spermien bevölkern das Bild. Sie sind auf der großen Reise ihres kurzen Lebens, auf der Suche nach dem Ei. Die Kinderstimmen werden leiser und wir entdecken einen menschlichen Fötus,der bequem und entspannt in der Fruchtblase kauert. Ein wenig wirkt er wie ein versonnener Greis...

Eine Geschichte braucht einen Erzähler. In ‚Genesis' ist es ein afrikanischer Schamane dem es gelingt, den roten Faden durch den Film zu spinnen. Der Erzähler ist ein Zauberer. Seine Worte haben die Kraft, uns in die magische Welt des Lebens hineinzuziehen. "Wir Lebenden sind wie Kanus, die gegen die Strömung der Zeit kämpfen. Wir bewahren unsere lebendige Form, indem wir anderes Leben zerstören. Eines Tages wird mein Körper den Kampf aufgeben und der Welt diese Materie zurückgeben, aus der ich geschaffen bin. Die Galaxie aus Milliarden von Atomen, die ich einmal war, wird sterben, so, wie die Sterne sterben, und ihre Materie im Raum aussäen. All diese Atome, die in mir tanzten, werden woanders tanzen..." Jeder Mensch trägt die einzigartige Erfahrung seines eigenen Lebens und die unendliche Geschichte des Universums, dessen Kind er ist, gleichermaßen in sich. ‚Genesis' widmet sich seinen Hauptdarstellern mit großer Anteilnahme und Zuneigung. Die Tiere werden nicht zum Forschungsobjekt, sondern zu einer lebenden Metapher, letztlich zu einem Spiegel unserer eigenen Befindlichkeit.

Leider schafft es der Film trotz allem nicht, den Horizont des Zuschauers wirklich zu erweitern, da sein Interesse zu sehr den äußeren Reizen gilt. Was bleibt ist eine Montage der Sensationen, die dem anthropomorphen Blick zu gefallen sucht. Eine Sammlung neuer, aufregender, aber flüchtiger Eindrücke. So hetzt der Film von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten, um beim Zuschauer nie das Gefühl von Stillstand aufkommen zu lassen.. Gefangen in den Denkmustern der eigenen Spezies, werden die Tiere von den beiden Regisseuren immer wieder vermenschlicht. Gewiß ist es Nuridsany, Perennou und ihren Mitarbeitern gelungen, atemraubende Bilder einzufangen, meist jedoch haben sie sie arrangiert und drapiert. Wenn die Qualität der Originalaufnahmen nicht ausreichend war wurde die Natur im Labor nachgebaut. Dies wäre kein Problem, zeugte es nicht von dem geringen Vertrauen, das der Film in seinen Gegenstand hat.

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