Männer am Herd
Wie verhalten sich Männer in der Küche? Eine Frage, der
man trotz Gleichberechtigung im Heim und um den Herd wenig Beachtung schenkt.
In den 50er Jahren nahm ein schwedisches Institut den Küchenalltag im
Forschungslabor unter die Lupe. Nachdem der weibliche Zyklus zwischen
Kühlschrank, Spüle und Tisch durchleuchtet und in aufwändigen
Grafiken illustriert worden war, wandte sich das Institut einem weißen
Fleck am heimischen Herd zu: dem allein stehenden Mann.
Heiteres Länderraten sei an dieser Stelle erlaubt. In welchen
Breiten dachte man sich dieses Thema aus und drehte mit dem diese Woche
startenden Film "Kitchen Stories" eine Komödie mit deppigen Typen zum
Liebhaben? Wer vor zwei Jahren das Buddy-Movie "Elling" gesehen hat, wird
richtig tippen: Norwegen!
Nach dem Aufguss - um ins Küchenmilieu zurückzukehren -
einer Männerfreundschaft sieht es hier jedoch anfänglich nicht
aus: In einer verschneiten Winterlandschaft rollt eine Autokolonne auf der
Straße heran. 18 dunkle Volvos ziehen salbeifarbene Wohnwagen wie
Segelboote hinter sich her. Auf dem Dach ist ein Hochsitz analog dem Mast
befestigt. Die Karawane passiert den Schlagbaum an der schwedisch-norwegischen
Grenze.
Je ein Mann im grauen Anzug sitzt hinter dem Lenkrad des Autos. Seine
Mission: einheimische Junggesellen bei ihrer alltäglichen
Küchenroutine zu beobachten. Sein Problem: Die Probanden sind
störrisch. Wer will schon Tag für Tag einen neutralen Schiedsrichter
in Socken auf einem Hochsitz in seiner Küche haben, der sich über
jeden Handgriff Notizen macht?
Die 18 Experten in grauem Zwirn schwärmen aus, angestachelt und
kontrolliert von ihrem eifrigen Projektleiter. Ihre Arbeitsregeln sind strikt:
keine Intimitäten mit der Testperson. Der schüchterne Folke geht
samt Wohnwagen bei Isak vor Anker. Anstatt Tür und Küche für
das wissenschaftliche Experiment zu öffnen, taucht der spleenige Kerl
erstmal in den eigenen vier Wänden ab.
"Kitchen Stories" von Regisseur Bent Hamer ("Eggs") entwickelt sich
im Schritttempo wie die gemächlich dahinsegelnde Karawane der Volvos.
Die knappen Dialoge und der Stoizismus der Protagonisten erinnern an die
Eigenbrötler aus den Theaterstücken von Samuel Beckett. Das
Bedürfnis der Individuen nach persönlichem Kontakt setzt die neutrale
Systematik des Forschungsprogramms außer Kraft.
Das Experiment scheitert nicht nur im Fall von Isak und Folke, die
zu einem so wonnigen Paar werden, dass Isaks alter Kumpel Grant aus Eifersucht
rot sieht. Es scheint leichter zu sein, den Alltag einer schwedischen Hausfrau
im Labor zu studieren, als dem norwegischen Single in der freien Wildbahn
seiner Küche auf die Spur zu kommen. Das ist zwar alles Satire, aber
mit so viel warmherzigem, anarchischem Impetus in Szene gesetzt, dass man
sich ein solches männliches Exemplar in der heimischen Küche
wünscht.
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