Was für ein Beginn, schaumgeboren: Eine lange statische
Einstellung, aus einem Loch unter einem Straßendamm klettern der Vater,
der Sohn, deren Vorgeschichte (beinahe) so dunkel bleiben wird wie die
Schwärze des Lochs, aus dem sie kommen. Der Rest ist Bewegung, allerdings
der ruhigen Art. Sie haben ein Ziel: Koktebel, die Stadt auf der Krim, da
wohnt die Schwester des Mannes, dahin wollen sie trampen, tausende von
Kilometern. Ein Roadmovie also, mehr noch ein Querfeldeinmovie. Und auch
ein Stationendrama auf dem Weg zum kleinen Glück, vielleicht.
Sie gehen zu Fuß, sie fahren mit der Bahn, sie treffen eine
barmherzige Seele und alles wäre sehr schön, schliche sich nicht
die Ahnung ein, der Film wolle auf so etwas hinaus wie eine Geschichte. Vater,
Sohn, Enttäuschung, Alkoholismus, nach und nach stellen sich die Motive,
auf die der Beginn so souverän verzichtet hat, doch noch ein. Selbst
wenn man darauf verzichtet, in die Bewegung durchs karge Land in den
Sehnsuchtsort Koktebel Historisches, Metaphysisches gar hineinzulesen. Die
Erdung im Psychologischen nimmt den Bildern viel von ihrer Kraft.
Es kommt zu Begegnungen, sie geben der Reise Struktur. Ein älterer
Mann, der den Vater zum Alkohol verführt und hinter dessen Gutartigkeit
Böses lauert. Und Xenia, die Ärztin, bei der der Vater sich bald
zuhause fühlt, der Sohn aber nicht. Kein Heim kann er akzeptieren, das
nicht Koktebel ist, die Stadt der Albatrosse, der Gleiter - im Motiv "schwebender
Flug" thematisiert der Film, leider, immer wieder, was er eigentlich zeigen
sollte. Dabei verstellt er sich durch die Thematisierung gerade die
Möglichkeit, es unausgesprochen gesagt sein zu lassen: die Sehnsucht
nach einem Dahingleiten, einer Balance, nach dem Glück.
Schön aber ist der Blick auf das Toilettenhäuschen im Freien,
mit einem blinkenden Radiorekorder im Baum. Ein Glück ist's, wenn die
Kamera sich am Blech berauscht, das vom Dach fliegt, ein ums andere Mal mit
Reißschwenks folgt und so der Bewegung, nicht dem Gegenstand, eine
physische Präsenz verleiht. Wunderbar auch die Bilder vom Meer, denen
sich der Film zum Schluss dann doch überlässt, als hätte er
eigentlich nichts anderes zu sagen gehabt als: Sieh! Was er darüber
hinaus zu erzählen hat, ist immer zuviel.
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