Mit großem Hallo wird derzeit jede Produktion aus der Berliner
Talentschmiede X-Filme begrüßt. Auch in München gab's von
den traditionell introvertierten, eher sich insgeheim freuenden oder
ärgernden Filmjournalisten zaghaftes Wolfsgeheul, klang nicht so richtig
überzeugt, eher mutmachend. Wahrscheinlich stammten die Heuler eh aus
dem Umfeld der X-Filme-Karawane, die sich von Festival zu Festival schiebt
und sich feiert und feiern lässt. Hendrik Handloegten hat seinen ersten
Kinospielfilm vorgelegt, die logische Fortsetzung seines Debüts Paul
is dead, vor gut zwei Jahren als Kleines Fernsehspiel noch an
der dffb entstanden. Handloegten ist bekennender Musikliebhaber, Fan,
und erzählt Geschichten über Dinge, mit denen er sich auskennt.
Jugendliche in der Provinz, die die Langeweile mit Sehnsucht und Bier und
natürlich Musik bekämpfen. Richtige Männer- oder Jungsgeschichten
also, in denen zwar auch Frauen vorkommen, mitunter sogar recht zentral,
immer aber als Projektion der männlichen Figuren, als Idealisierung
oder Romantisierung, sei sie pragmatisch ausgerichtet oder Produkt
von Reife und Erfahrung .
Helmut Hermes (Fabian Busch) ist ein gefühlsgehemmter,
bindungsunfähiger, feiger Penner - das schleudert ihm zumindest seine
derzeitige Lebensabschnittsgefährtin in der ersten Szene entgegen. Danach
gehts zurück, in die Vergangenheit, in die 80er Jahre, wieder
mal, möchte man meinen, angesichts dessen, was sich zur Zeit auf dem
deutschen Kinogabentisch so tummelt. Liegen lernen macht das
jedoch eleganter, stilsicherer als alles vorher Dagewesene. Dafür
gebührt den Filmemachern größter Respekt. Auch das Buch ist
knackig, ohne viel Vertun kommt man zur Sache, die Dialoge sind knapp, manchmal
zu knapp, geraten dann zu bloßen Stichwörtern, die Kameraarbeit
ist exzellent und überhaupt gibt es ,was die Produktionswerte betrifft,
kaum etwas zu kritisieren.
Dennoch, irgendetwas stimmt mit diesem Film nicht. Ist es
tatsächlich die Hauptfigur, die im übrigen von einem glänzend
aufgelegten Fabian Busch gespielt wird, und die mit ihrer narzisstischen
Schluffigkeit nervt? Vielleicht. Ist es sogar die Koketterie mit der eigenen
Ichbezogenheit, respektive Selbstmitleid und den ganzen Unfähigkeiten,
Bindung, Glück, Gefühle, Mut? Helmut behauptet auch, mit 32, also
zu Beginn des Films, vor der Rückblende, da weiß man wie das Leben
so läuft, wie man fickt und so weiter. Tatsächlich? Versteckt zwischen
den Zeilen drängt da immer wieder diese Haltung nach vorne, die
ständige Unterforderung, dieses wenn man wollte, dann könnte man
schon, aber man will ja nicht, wozu auch.
Ich war tatsächlich schwer begeistert über weite Strecken,
von der Leichtigkeit der Inszenierung, von der Geschmackssicherheit im Auswahl
der Details, nicht zuletzt der Musik. Am Ende habe ich mich gewundert, warum
ich nach dem Film dieses Gefühl innerer Leere hatte. Sind wir wirklich
so wie Helmut? Und wenn ja, merken wir es dann überhaupt noch? Der Film
macht zum Schluss natürlich noch den dramaturgischen Schlenker, den
man von Anfang an erwartet hat. Helmut wird bekehrt, besser gesagt, er bekehrt
sich selbst, er kehrt zu seiner Lebensabschnittsgefährtin zurück
und erkennt die wichtigen Dinge im Leben. Ich hab' da so meine Zweifel.
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