Lilo and Stitch - Hawaiianisch für
Anfänger
Sie will unbedingt ihn haben! Lilo will diesen häßlichen
Vierbeiner mit den viel zu großen Ohren und den unzähligen
Zähnen, der eigentlich gar kein Hund, sondern Stitch ist - das illegale
Experiment eines durchgedrehten, außerirdischen Wissenschaftlers, das
auf die Erde, genauer gesagt nach Hawaii, zwangsversetzt wurde. Lilo, die
mit ihrer überdimensionierten Knollnase und dem brutal gestauchten
Körper eigentlich selbst fast aussieht wie ein Außerirdischer,
schließt den fiesen, als Bello getarnten, Manga-Bären aber gleich
in ihr Herz. Denn das kleine hawaiianische und Elvis-fanatische Mädchen
braucht dringend einen Freund. Sie streitet sich nämlich nicht nur mit
ihrer chronisch überforderten Schwester, von der sie groß gezogen
wird, sie ist auch Außenseiterin bei den anderen Kindern und soll in
ein Heim, wenn sich ihre chaotische familiäre Situation nicht innerhalb
von drei Tagen ändert. Das sagt jedenfalls der Mann vom Kinderheim,
der aussieht wie ein Man In Black...
Nach Atlantis, Disneys eher misslungenem, aber visuell
durchaus interessanten Ausflug in einen erwachsenen-verträglichen
Zeichentrickkosmos, folgt mit Lilo und Stitch wieder ein
konventioneller Kinderzeichentrickfilm. Obwohl er bevölkert ist von
Aliens mit seltsamster Physionomie und zwei knutsch-knuddeligen Hauptfiguren,
bleibt er tricktechnisch hinter den üblichen hohen Standards des
amerikanischen Animationsgiganten zurück und langweilt über weite
Strecken mit der üblichen Disney-Formel und einer penetrant
familienfreundlichen Botschaft. Dabei geht eigentlich alles ganz vielversprechend
los. Stitch ist nämlich fies, mies, aggressiv und alles andere als im
familiären Sinn sozialisierbar. Doch weil das so in einem Disney-Film
nicht bleiben kann, entdeckt Stitch plötzlich Gefühle an sich,
auf die er eigentlich gar nicht programmiert ist. Wahre Erfüllung stellt
sich hier, auch und ganz besonders für so ein kleines misslungenes
Experiment wie Stitch, nur durch Familienglück ein. Immer wieder wird
das Motto des Filmes - mal von Lilo in Verzweiflung oder später von
einem wimmernden Stitch mit einer schmerzvollen Sehnsucht - als pathetische
Lebensweisheit auf den Punkt gebracht: O Hana bedeutet Familie und
Familie bedeutet, dass niemand zurückgelassen wird! Die
Gehirnwäsche funktioniert und Stitch schwebt letztlich als
weichgespültes Familientier in den warmen und wohligen Schoß von
Vater, Mutter, Lilo.
Geborgenheit, Liebe und Zusammenhalt im Verbund der Familie sind so
die Werte, die sich hier mal wieder wie ein süßlicher Schleim
über den Film legen. Der Spaß, den man mit Lilo and
Stitch durchaus haben kann, resultiert dabei natürlich keineswegs
aus diesem Kitsch. Stitchs destruktive Ader amüsiert hier, seine
ungestüme Art macht Spaß und wenn die Urlauberidylle Hawai durch
seinen eingeimpften Drang zur Anarchie in Angst und Schrecken versetzt wird,
muss man lachen. Da baut der kleine Manga-Bär San Franzisco kurzerhand
als Miniatur nach, um es in feinster Godzilla-Manier wieder zu zerstören.
Oder er legt eine fetzige Elvis-Imitation im Glitteranzug und mit Tolle hin,
um zum Schluss alles um sich herum zu kurz und klein zu beißen. Lustiger
als das ist nur, dass Stitch dem King dabei ähnlicher sieht als manch
ein fettleibiger Profiimitator.
zur Jump Cut Startseite
|