Keine Hexen. Stattdessen zwei Polizisten, klug und korrupt,
zuständig für comic relief und Prophetie. Und nicht der
Wald, die See nähert sich dem Haus. Mumbai statt Schottland, die Clans
der Mafia an Stelle von Königen und Nimmi ist nicht Lady Macbeth, sondern,
zurück transponiert, Duncans Frau und die Eifersucht ihres Geliebten
Maqbool ihr wichtigster Hebel. Der Übersetzungen sind also viele, vom
historischen Schottland ins präzise Heute von Mumbai, und doch sind
die wichtigsten Strukturen und in diesen Strukturen die wichtigsten Züge
des Shakespeare-Stückes nur zur besseren Kenntlichkeit fürs indische
Publikum entstellt.
Abbaji ist der Herrscher, der gemeuchelt wird und Maqbool wie Nimmi
wollen seinen Thron. Er ist auch, dies eine der hübschen Nebenpointen
des Films, Herrscher über Bollywood, dessen mafiöse Verstrickungen
notorisch sind. Gelegenheit zu Insider-Jokes, die so wenig deplatziert wirken
wie der Rest des Lokalkolorits. Vom ersten Bild an ist es dem Film sehr Ernst
mit seiner Geschichte, die mit Sorgfalt erzählt wird. Die Musik drängt
nie in den Vordergrund - dabei ist Regisseur Vishal Baradwaj von Haus aus
Komponist -, wird vielmehr narrativ saumlos integriert. Kein Exzess, nicht
einmal in der Liebe. Die Charaktere werden entwickelt, die Linien
zukünftiger Intrigen vorbereitet. Grandios ausnahmslos die
Darsteller.
Das Gelingen der Transposition erweist sich nicht zuletzt in der
Mühelosigkeit, mit der "Maqbool" überzeugte, auch ohne Shakespeare.
Das andere große Vorbild, mit Vätern, Söhnen, Verrat, Nachfolge
und Ehrenfragen, ist natürlich "Der Pate" und, sehen Sie selbst, Pankaj
Kapoor, ganz zu Eis gefrorenes Feuer, kann es mit Marlon Brando aufnehmen.
Die Verschiebungen in Richtung Bollywood sind sinnvoll, und zwar als
psychologisierende Interpretation. Nimmi als Lady Macbeth ist nicht Macchiavelli
entsprungen, sondern eine Geliebte und Liebende, die Glück und Macht
zugleich sucht. Maqbool, oft kaum lesbar dargestellt von Irfan Khan, verliert
mit jedem Schritt zur Macht das Glück mehr, dessentwegen er tötet.
Baradwaj verrät die Tragödie an keiner Stelle. Ein höchst
ungewöhnlicher indischer Film, nicht zuletzt darin, dass keine der
erreichten meisterhaften Lösungen betont oder ausgestellt
wird. Der eine Guss, aus dem das alles ist, ist das eigentliche Wunder.
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