Jetzt ist, wenn es weh tut
Es gibt Menschen, wie zum Beispiel Nico Hofmann (Teamworks), die
behaupten, die innovativen Filme werden derzeit vor allen Dingen fürs
Fernsehen gemacht. Die Puristen werdens ungern hören, womöglich
ungläubig mit dem Kopf schütteln, sollten jedoch angesichts des
Triumphzuges von "Nirgendwo in Afrika" bei der Bundesfilmpreisverleihung
kurz innehalten und genauer hinsehen.
Der Bayerische Rundfunk beispielsweise schickt Erfolgsregisseur Oliver
Hirschbiegel (Das Experiment) mit "Mein letzter Film" ins Rennen. Das Drehbuch
stammt von Bodo Kirchhoff, die Hauptrolle spielt Hannelore Elsner, für
reichlich Erwartungshaltung ist also gesorgt. Ungewöhnlich ist zumindest
die Form. Marie (Hannelore Elsner) hat alles erreicht, was eine große
Schauspielerin in ihrem Beruf erreichen kann und will ihrem alten Leben den
Rücken kehren. Während sie ihre Sachen für ein neues Leben
packt, packt sie gründlich aus. Ein junger Kameramann, den man lediglich
kurz zu Beginn und am Ende des Films sieht, hält alles fest.In Maries
Berliner Altbauwohnung entsteht auf diese Weise ein 90-Minuten-Solo, in dem
sie ihr Leben Revue passieren läßt.
Oliver Hirschbiegel und sein Kameramann Rainer Klausmann halten sich
wohltuend zurück und lassen den Text, beziehungsweise Hannelore Elsners
Interpretation für sich sprechen. Es gibt über die 90 Minuten verteilt
eine ganze Reihe wunderbarer Momente, speziell im letzten Drittel, wenn in
der Filmhandlung Marie ans Eingemachte geht und ohne ihren Kameramann alleine
weitermacht. Ein paar Mal droht das mühsam aufgebaute
Vertrauensverhältnis mit dem Publikum zu kippen, etwa wenn Marie aus
dem Bild tritt, um ihren Schmerz und ihre Wut herauszuschreien, oder ganz
am Ende, wenn wir Marie im Close-up am Steuer ihres Wagens durch Berlin fahren
sehen, unterschnitten mit Bildern vom Potsdamer Platz oder dem Ku´damm
etwa. Dann wird Hannelore Elsner wieder zu einer Schauspielerin, die eine
Rolle spielt.
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