Die Legende will es, dass Osamu Tezuka, der größte
aller japanischen Manga-Autoren, nur das Plakat von Fritz Langs Metropolis
kannte, als er sich daran machte, aus diesen begrenzten Vorgaben nach Art
der Stillen Post sein eigenes Metropolis zu erschaffen. Nach langen Jahren,
in denen sich niemand an eine Anime-Fassung gewagt hat, kehrt Metropolis
nun auf die Leinwand zurück, das Buch stammt von keinem Geringeren als
dem Akira-Schöpfer Katsuhiro Otomo, Regie führte Rintaro, der auch
mehrfach (etwa für Astro Boy) mit Tezuka zusammengearbeitet hatte.
Die Story ist, wie nicht anders zu erwarten, fremd und vertraut zugleich.
Metropolis ist eine Stadt der Zukunft, in der sich ein faschistoider Finsterling,
der Duke Red, an die Macht schmuggeln will. Unterstützt wird er von
einer Art Gestapo, den Marduks, die insbesondere für die Überwachung
der Roboter zuständig sind und deren Aufenthalt in Verbotszonen unterbinden
sollen. Vom Vorbild übernommen ist die räumliche Hierarchie, Metropolis
verteilt sich auf mehrere Ebenen (hier sind es vier), die Unterwelt, in der
ein Aufstand der Arbeiter droht, ist zugleich das Vergnügungsviertel,
das in Langs Metropolis nach dem Tokioter Viertel Yoshiwara benannt
war. Komplizierend kommt zu dieser politischen Auseinandersetzung die von
Tezuka immer wieder an der Figur der Roboter thematisierte Frage des
Rassismus.
Auch die vom Wissenschaftler als Mad Scientist (mit Namen Dr. Laughton)
erschaffene Frau gibt es hier (in Gestalt des Mädchens Tima), Gut und
Böse verteilen sich jedoch nicht zwillingshaft, die Gefährlichkeit
erweist sich vor allem über Timas Funktionalisierung zur Machtsteigerung.
Metropolis ist dabei, auch narrativ, zwischen zwei Pole gespannt: eine pikareske
Geschichte um den aus Tokio mit dem Auftrag, Dr. Laughton einzufangen,
angereisten Detektiv Shunsaku-Ban und seinen Neffen Ken-Ichi, der sich in
Tima verliebt und so die Verbindung zum Weltherrschafts- und
Weltuntergangs-Szenario herstellt, das den anderen Pol des Films ausmacht.
Dass beides sich nicht zusammenfügen will, weder in der Figur von Ken-Ichi
noch in der von Tima, die sich binnen kürzestem von einem
verloren-ängstlichen Androiden in ein übermächtiges Monster
zu verwandeln hat, ist das größte Problem des Films. Das
Gutmütige, das Tezukas Geschichten stets besitzen, kippt recht
übergangslos in einen Mahlstrom der Apokalypse, der stark an Otomos
Akira erinnert. Der Plot, der auch sonst ein paar zu viele
Science-Fiction-Klischees unter einen Hut bringen will, kommt da nicht mehr
hinterher, streckenweise ist Metropolis einfach ein arges
Durcheinander.
Leider gibt es einen weiteren Riss in diesem Film. Ungeheure Sorgfalt
(und Computerleistung) hat man in die Produktion der Hintergründe gesteckt,
die Animation ist atemberaubend, auch einfallsreich, man kann sich im optischen
Stadt-Universum, das hier geschaffen wurde, immer wieder lustvoll verlieren
(was nichts daran ändert, dass Hayao Miyazaki
(Spirited Away, Prinzessin
Mononoke) seine Ideen mit einem Bruchteil des visuellen Aufwands umzusetzen
versteht). Mit dem ausgefeilten Hintergrund aber kontrastieren die traditionell
kulleräugigen, extrem schematischen Anime-Gesichter in diesem Fall einfach
zu stark. Aufs Darstellungsherkommen lässt sich hier nicht gut hinausreden,
denn es prallen unvermittelt zwei Illusionswelten aufeinander, ohne miteinander
zu verschmelzen, ja, sogar so, dass man über den ständigen Aufprall
nie recht hinwegkommt. Umgekehrt geht es übrigens mit dem Score: ganz
wider Erwarten erweist sich der orchestrale Dixieland-Jazz von Toshiyuki
Honda als wunderbarer Kontrapunkt zu den futuristischen Bildern.
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