Marcus Nispel: Texas Chainsaw Massacre (USA 2003)

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Marcus Nispel: Texas Chainsaw Massacre (USA 2003)
Kritik von Thomas Groh


 
Anmerkung:
Verwirrend ist der Titel "Michael Bay's Texas Chainsaw Massacre", da Bay den Film, der ein Remake von Tobe Hoopers "Texas Chainsaw Massacre" aus dem Jahr 1974 ist, nur produziert hat.

"Blair Meat" steht in großen Lettern über dem industriellen Schlachthof zu Beginn. Das ist nicht nur ein produktionsinterner Witz - Greg Blair zeichnet als Production Designer verantwortlich -, sondern auch als Referenz an jüngere Filmgeschichte zu verstehen. Regisseur Marcus Nispel lässt sein Remake von Tobe Hoopers Texas Chain Saw Massacre - ein Film, der die Schraube der Authentizitätsstrategien im Horrorfilm ordentlich andrehte - mit allerlei verwackeltem und im Nachhinein auf alt getrimmtem Filmmaterial der Tatortbegehung beginnen, das in seiner Ästhetik dem im (fiktional) wahrsten Sinne des Wortes found footage aus Blair Witch Project sehr nahe kommt. Einem Film also, der dem seit Scream reichlich ironisch und somit zahnlos gewordenen Horrorfilm eine neue Ernsthaftigkeit bescherte, die nun ihre Wirkungen zu zeitigen beginnt und die die jüngste Inkarnation des Leatherface-Franchise, nicht zu ihrem Nachteil, dankbar aufgreift.

Weitere Verweise erspart sich der Film, wenn er die an sich knappe Geschichte von den Teens, die im texanischen Hinterland in die Fänge einer kannibalistisch veranlagten, bizarren Familie geraten, erneut ausformuliert. Da man sich in der Tat nicht als Fortsetzung begreift, sondern einmal mehr "die wahre Geschichte" (die natürlich auch schon 1974 nicht wahr gewesen ist) aufrollt, kann man seine Opfer bedenkenlos im Jahr 1973 gänzlich frei von naseweisem Genrewissen, wie es in Wrong Turn, der ebenfalls in diesem Jahr in den Kino zu sehen war, noch haufenweise (und oft auch penetrant) zum Besten gegeben wurde, in ihr Unglück laufen lassen, ohne dabei realitätsfern zu wirken. Da man obendrein in Hoopers Vorgaben nur eine strukturell, nicht aber im Detail verbindliche Vorlage sieht, entwickelt sich von Anbeginn an ein Suspense, der zwar mit dem Wissen des Zuschauers um die Narration des Originals spielt, nicht aber im Film selbst, etwa in den Dialogen der Protagonisten, das Genre thematisiert oder gar dieses Spiel in den Vordergrund rückt. In dieser grimmigen Ernsthaftigkeit entwickelt der Film einen Reiz, auch indem er vor der - das Unbehagen des Betrachters einkalkulierenden - Fortschreibung der Geschichte der Zerfaserung des Fleisches (die vor seiner Ironisierung eigentlicher Gegenstand des Splatterfilms gewesen ist) nicht zurückschreckt. Es werden, so eindringlich inszeniert wie schon lange nicht mehr, Beine abgetrennt oder halbtote Opfer an Fleischerhaken aufgespießt.

Es mag dies vielleicht, angesichts des Geschichtsverlaufs des Genres, anachronistisch sein, kommt aber dem Film zugute, zumal man auch auf allegorischer Ebene ein Projekt des Originals ungleich deutlicher und somit auch eindringlicher fortschreibt. Was Hooper in seinem von den Eindrücken der Berichterstattung des Vietnamkriegs und der oft gewaltsamen Niederschlagung der Bürgerrechtsbewegung in den USA geprägten Original einst nur suggerierte - dass nämlich der für den Film so wichtige geografische Raum der eigentliche Nährboden des gezeigten Grauens sei - formuliert Nispel zur Gänze aus: Texas ist hier nicht mehr nur Raum, sondern Zustand. Eine Denunziation, die sich am augenscheinlichsten in einer der vielen grotesken Figuren des Spiels manifestiert: Sheriff Hoyt, dargestellt von R. Lee Ermey, der hier - ein echter Casting-Glücksgriff - schon dank seines uniformierten Auftretens an seine Glanzleistung als sadistischer Ausbilder in Kubricks Full Metal Jacket erinnert, entpuppt sich, zunächst noch provinziell debiler Ordnungshüter, als Komplize des kettensägenbewehrten Schreckens, dessen sadistische Psychospiele mit dem einen Teil des Teenagergrüppchens parallel zu den ersten Abschlachtungen in Leatherface' unheimlichen Keller montiert werden. Auch andere unheimliche Zeitgenossen hier und da am Wegesrand dieses langen Martyriums finden sich zum Ende hin auf dem Familienanwesen weitab jeder Zivilisation ein und formen eine paranoide Parabel auf den amerikanischsten aller Bundesstaaten, in dem sich der reaktionäre White Trash vollends in den degenerierten Wahnsinn katapultiert hat: "Don't mess with Texas!".

Entgegen allen Unkenrufen, die der Produktion voraus geeilt waren, ist Nispel ein zwar mit plot holes gespickter, im Ganzen aber verstörender, angenehm unsteriler Splatterfilm gelungen, wie man ihn sich nach den endlosen Parodien und den Parodien der Parodien kaum noch hätte vorstellen können.

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