"Blair Meat" steht in großen Lettern über dem industriellen
Schlachthof zu Beginn. Das ist nicht nur ein produktionsinterner Witz - Greg
Blair zeichnet als Production Designer verantwortlich -, sondern auch als
Referenz an jüngere Filmgeschichte zu verstehen. Regisseur Marcus Nispel
lässt sein Remake von Tobe Hoopers Texas Chain Saw Massacre - ein Film,
der die Schraube der Authentizitätsstrategien im Horrorfilm ordentlich
andrehte - mit allerlei verwackeltem und im Nachhinein auf alt getrimmtem
Filmmaterial der Tatortbegehung beginnen, das in seiner Ästhetik dem
im (fiktional) wahrsten Sinne des Wortes found footage aus Blair Witch Project
sehr nahe kommt. Einem Film also, der dem seit Scream reichlich ironisch
und somit zahnlos gewordenen Horrorfilm eine neue Ernsthaftigkeit bescherte,
die nun ihre Wirkungen zu zeitigen beginnt und die die jüngste Inkarnation
des Leatherface-Franchise, nicht zu ihrem Nachteil, dankbar aufgreift.
Weitere Verweise erspart sich der Film, wenn er die an sich knappe
Geschichte von den Teens, die im texanischen Hinterland in die Fänge
einer kannibalistisch veranlagten, bizarren Familie geraten, erneut
ausformuliert. Da man sich in der Tat nicht als Fortsetzung begreift, sondern
einmal mehr "die wahre Geschichte" (die natürlich auch schon 1974 nicht
wahr gewesen ist) aufrollt, kann man seine Opfer bedenkenlos im Jahr 1973
gänzlich frei von naseweisem Genrewissen, wie es in Wrong Turn, der
ebenfalls in diesem Jahr in den Kino zu sehen war, noch haufenweise (und
oft auch penetrant) zum Besten gegeben wurde, in ihr Unglück laufen
lassen, ohne dabei realitätsfern zu wirken. Da man obendrein in Hoopers
Vorgaben nur eine strukturell, nicht aber im Detail verbindliche Vorlage
sieht, entwickelt sich von Anbeginn an ein Suspense, der zwar mit dem Wissen
des Zuschauers um die Narration des Originals spielt, nicht aber im Film
selbst, etwa in den Dialogen der Protagonisten, das Genre thematisiert oder
gar dieses Spiel in den Vordergrund rückt. In dieser grimmigen
Ernsthaftigkeit entwickelt der Film einen Reiz, auch indem er vor der - das
Unbehagen des Betrachters einkalkulierenden - Fortschreibung der Geschichte
der Zerfaserung des Fleisches (die vor seiner Ironisierung eigentlicher
Gegenstand des Splatterfilms gewesen ist) nicht zurückschreckt. Es werden,
so eindringlich inszeniert wie schon lange nicht mehr, Beine abgetrennt oder
halbtote Opfer an Fleischerhaken aufgespießt.
Es mag dies vielleicht, angesichts des Geschichtsverlaufs des Genres,
anachronistisch sein, kommt aber dem Film zugute, zumal man auch auf
allegorischer Ebene ein Projekt des Originals ungleich deutlicher und somit
auch eindringlicher fortschreibt. Was Hooper in seinem von den Eindrücken
der Berichterstattung des Vietnamkriegs und der oft gewaltsamen Niederschlagung
der Bürgerrechtsbewegung in den USA geprägten Original einst nur
suggerierte - dass nämlich der für den Film so wichtige geografische
Raum der eigentliche Nährboden des gezeigten Grauens sei - formuliert
Nispel zur Gänze aus: Texas ist hier nicht mehr nur Raum, sondern Zustand.
Eine Denunziation, die sich am augenscheinlichsten in einer der vielen grotesken
Figuren des Spiels manifestiert: Sheriff Hoyt, dargestellt von R. Lee Ermey,
der hier - ein echter Casting-Glücksgriff - schon dank seines uniformierten
Auftretens an seine Glanzleistung als sadistischer Ausbilder in Kubricks
Full Metal Jacket erinnert, entpuppt sich, zunächst noch provinziell
debiler Ordnungshüter, als Komplize des kettensägenbewehrten
Schreckens, dessen sadistische Psychospiele mit dem einen Teil des
Teenagergrüppchens parallel zu den ersten Abschlachtungen in Leatherface'
unheimlichen Keller montiert werden. Auch andere unheimliche Zeitgenossen
hier und da am Wegesrand dieses langen Martyriums finden sich zum Ende hin
auf dem Familienanwesen weitab jeder Zivilisation ein und formen eine paranoide
Parabel auf den amerikanischsten aller Bundesstaaten, in dem sich der
reaktionäre White Trash vollends in den degenerierten Wahnsinn katapultiert
hat: "Don't mess with Texas!".
Entgegen allen Unkenrufen, die der Produktion voraus geeilt waren,
ist Nispel ein zwar mit plot holes gespickter, im Ganzen aber verstörender,
angenehm unsteriler Splatterfilm gelungen, wie man ihn sich nach den endlosen
Parodien und den Parodien der Parodien kaum noch hätte vorstellen
können.
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