Die Exposition als Vorspann aus einem Guss:
eine mit Zydeco-Musik unterlegte Gartenparty in seltsam ausgewaschenen Bildern,
reduziert aufs Uneleganteste auf die bloße Funktion: hier werden die
zukünftigen Helden des Films sortiert, zugeordnet, mit Geschichten versehen,
die Auswirkungen haben werden. Dann endet die Musik, der Vorspann. Wir sind
im Weltraum.
Brian de Palma hat sich schon immer die entfesselte Kamera
gewünscht. Er hat sie durch Wände gleiten, er hat sie um Personen
kreiseln lassen, er hat sie in unnatürlichste Positionen geschickt,
aus denen sie unmögliche Bilder zeigen konnte. Er liebt die Kamera so
sehr, dass sie bei ihm in Snake
Eyes sogar das durfte, was sie im Kino sonst nie darf, was der Verrat
ist am Realismus-Vertrag zwischen Hollywood-Film und Zuschauer: die Kamera
hat uns Bilder vor Augen geführt, die einfach erlogen waren, wir sahen,
was gar nicht stattgefunden hatte. War Snake Eyes Kritik der Bilder,
so liefert Mission to Mars nun die Mystik. Der Traum, der hier
geträumt wird, ist der totaler Transparenz. Die Bildschirme sind
durchsichtig geworden und die Katastrophe findet ihr treffendes Bild in ihrem
Opakwerden. Die Kamera schwebt, sie ist darin ganz gleichberechtigt mit der
Schwerelosigkeit der Helden, die durch das Raumschiff und das Weltall gleiten.
Die Bewegung ist nicht elegant, sie ist nicht virtuos, sondern in erster
Linie langsam, entschleunigt, negative, implodierte Dynamik, wenn man so
sagen darf.
Die Kritik hat Mission to Mars verrissen,
aber das liegt darin, dass sie erwartet hat, was der Film nicht bieten will.
Eine glaubwürdige oder originelle Geschichte. Die gibt es hier nicht,
bloß Saving Private Ryan im Weltall. Geschliffene Dialoge. Komplette
Fehlanzeige: stümperhafte bis unfreiwillig komische Texte, die die
Schauspieler da aufzusagen haben. Verblüffende Special Effects. Wiederum:
da hat man schon sehr viel Besseres gesehen.
Dennoch ist Mission to Mars ein
großartiger Film, nämlich konsequente Oper. Große Oper,
Weltraumoper. Die Rezitativstrecken sind bloßes Füllmaterial und
als solches noch misslungen. Dann aber die Arien. Die Kamera schwebt. Tim
Robbins, der auf Erden nicht tanzt, gleitet mit seiner Frau durch die
Schwerelosigkeit des Raumschiffs, langsam, die Zeit steht still, die Kamera
tanzt mit. Dann das Unglück. Hat man je so wenig Hektik inmitten der
Katastrophe gesehen? Wer hat je so schöne Bilder für den drohenden
Untergang gefunden wie De Palma hier mit den Blutperlen, die sich in angemessener
Langsamkeit auf das Leck zubewegen? In diesen Arien herrscht ein
Ästhetizismus, der allem Realitätsbegehren hohnlacht, der den
Drehbuchernst der Dialoge voll und ganz desavouiert. Und dann, der
Höhepunkt des Films, die große Sterbeszene, das buchstäbliche
Entgleiten, die sofortige Denkmalwerdung des sich selbst opfernden Helden.
Den Sci-Fi-Gimmicks wie Raumanzügen und Raumgleitern und Harpunen und
Antriebsdüsen ist hier ein Pathos abgewonnen, dem man sich wohl ironisch
verweigern, das man aber nicht leugnen kann.
Die Mystik des Films ist nicht mit Transzendenz zu verwechseln. Der
Eintritt ins Geheimnis ist mit gebräuchlichen Erhabenheitstopoi markiert,
die Farbe weiß etwa (im übrigen eine klare Anspielung auf THX
118 von George Lucas - dessen ILM hier für die Computereffekte
zuständig war), aber dann folgt eine Virtual-Reality-Show, die jedem,
der hier auf Transzendenz spekuliert, wie fauler Zauber vorkommen muss. Es
geht aber nur um das Schauspiel evolutionistischer Immanenz, nicht die
Annäherung an einen Schöpfer und die Unsagbarkeits- und
Unzeigbarkeitstopoi, die zuletzt Contact so faszinierend durchgespielt
hat. Die Mystik von Mission to Mars ist ganz und gar sichtbar, es
bleibt kein Rest des Unerklärbaren (wie in Kubricks 2001 oder
eben in Contact). Ja, die Mystik besteht, dem Medium völlig
angemessen, genau und nur darin: in einer Apotheose der Bilder und des Zeigbaren.
An den fernen Welten, in die Gary Sinise am Ende davonzischt, hat Brian de
Palma naturgemäß so wenig Interesse wie an der Erde, auf die die
anderen zurückkehren werden.
Mission to Mars - Das Buch zum Film von Devra
Newberger Spergen.
zur Jump Cut Startseite
|