Brian De Palma: Mission to Mars (USA 2000)

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Brian De Palma: Mission to Mars (USA 2000)
Kritik von Ekkehard Knörer

Interview mit John C. Reilly

Berlinale-Kritik

Die Exposition als Vorspann aus einem Guss: eine mit Zydeco-Musik unterlegte Gartenparty in seltsam ausgewaschenen Bildern, reduziert aufs Uneleganteste auf die bloße Funktion: hier werden die zukünftigen Helden des Films sortiert, zugeordnet, mit Geschichten versehen, die Auswirkungen haben werden. Dann endet die Musik, der Vorspann. Wir sind im Weltraum.

Brian de Palma hat sich schon immer die entfesselte Kamera gewünscht. Er hat sie durch Wände gleiten, er hat sie um Personen kreiseln lassen, er hat sie in unnatürlichste Positionen geschickt, aus denen sie unmögliche Bilder zeigen konnte. Er liebt die Kamera so sehr, dass sie bei ihm in Snake Eyes sogar das durfte, was sie im Kino sonst nie darf, was der Verrat ist am Realismus-Vertrag zwischen Hollywood-Film und Zuschauer: die Kamera hat uns Bilder vor Augen geführt, die einfach erlogen waren, wir sahen, was gar nicht stattgefunden hatte. War Snake Eyes Kritik der Bilder, so liefert Mission to Mars nun die Mystik. Der Traum, der hier geträumt wird, ist der totaler Transparenz. Die Bildschirme sind durchsichtig geworden und die Katastrophe findet ihr treffendes Bild in ihrem Opakwerden. Die Kamera schwebt, sie ist darin ganz gleichberechtigt mit der Schwerelosigkeit der Helden, die durch das Raumschiff und das Weltall gleiten. Die Bewegung ist nicht elegant, sie ist nicht virtuos, sondern in erster Linie langsam, entschleunigt, negative, implodierte Dynamik, wenn man so sagen darf.

Die Kritik hat Mission to Mars verrissen, aber das liegt darin, dass sie erwartet hat, was der Film nicht bieten will. Eine glaubwürdige oder originelle Geschichte. Die gibt es hier nicht, bloß Saving Private Ryan im Weltall. Geschliffene Dialoge. Komplette Fehlanzeige: stümperhafte bis unfreiwillig komische Texte, die die Schauspieler da aufzusagen haben. Verblüffende Special Effects. Wiederum: da hat man schon sehr viel Besseres gesehen.

Dennoch ist Mission to Mars ein großartiger Film, nämlich konsequente Oper. Große Oper, Weltraumoper. Die Rezitativstrecken sind bloßes Füllmaterial und als solches noch misslungen. Dann aber die Arien. Die Kamera schwebt. Tim Robbins, der auf Erden nicht tanzt, gleitet mit seiner Frau durch die Schwerelosigkeit des Raumschiffs, langsam, die Zeit steht still, die Kamera tanzt mit. Dann das Unglück. Hat man je so wenig Hektik inmitten der Katastrophe gesehen? Wer hat je so schöne Bilder für den drohenden Untergang gefunden wie De Palma hier mit den Blutperlen, die sich in angemessener Langsamkeit auf das Leck zubewegen? In diesen Arien herrscht ein Ästhetizismus, der allem Realitätsbegehren hohnlacht, der den Drehbuchernst der Dialoge voll und ganz desavouiert. Und dann, der Höhepunkt des Films, die große Sterbeszene, das buchstäbliche Entgleiten, die sofortige Denkmalwerdung des sich selbst opfernden Helden. Den Sci-Fi-Gimmicks wie Raumanzügen und Raumgleitern und Harpunen und Antriebsdüsen ist hier ein Pathos abgewonnen, dem man sich wohl ironisch verweigern, das man aber nicht leugnen kann.

Die Mystik des Films ist nicht mit Transzendenz zu verwechseln. Der Eintritt ins Geheimnis ist mit gebräuchlichen Erhabenheitstopoi markiert, die Farbe weiß etwa (im übrigen eine klare Anspielung auf THX 118 von George Lucas - dessen ILM hier für die Computereffekte zuständig war), aber dann folgt eine Virtual-Reality-Show, die jedem, der hier auf Transzendenz spekuliert, wie fauler Zauber vorkommen muss. Es geht aber nur um das Schauspiel evolutionistischer Immanenz, nicht die Annäherung an einen Schöpfer und die Unsagbarkeits- und Unzeigbarkeitstopoi, die zuletzt Contact so faszinierend durchgespielt hat. Die Mystik von Mission to Mars ist ganz und gar sichtbar, es bleibt kein Rest des Unerklärbaren (wie in Kubricks 2001 oder eben in Contact). Ja, die Mystik besteht, dem Medium völlig angemessen, genau und nur darin: in einer Apotheose der Bilder und des Zeigbaren. An den fernen Welten, in die Gary Sinise am Ende davonzischt, hat Brian de Palma naturgemäß so wenig Interesse wie an der Erde, auf die die anderen zurückkehren werden.

Mission to Mars
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