Nachtschicht 18:00 - Abenddämmerung, Druckhaus des
Süddeutschen Verlages in München: Ernsti nimmt seine Aldi Tüte
und steuert die Packerei der Boulevardzeitung an, die er täglich druckt.
Langsam beginnen die Förderbänder zu rattern, in verschiedenen
Tonlagen, unregelmäßig. Die Geräusche steigern sich, bis
auch die schweren Trommelmaschinen ihren Rhythmus gefunden haben. Die
Nachtschicht hat begonnen. Die Chronik eines angekündigten Todes aus
der Bundesrepublik des Dritten Jahrtausends. Im Mittelpunkt stehen die letzten
Tage dreier langjähriger Mitarbeiter der Druckerei. Ernsti, Olga und
Willi werden, mit vielen anderen Kollegen, der geplanten "Umstrukturierung"
wegen in den Vorruhestand entlassen.
Regisseur Alexander Riedel zählt u.a. den Wiener Ulrich Seidl
(Tierische Liebe, Hundstage) zu seinen Vorbildern. Während Seidl jedoch
in seinen Filme die Tendenz zeigt seine Protagonisten exzessiv zu
entblößen, sich hinter ihnen zu verstecken und den Zuschauer mit
dem schalen Geschmack entläßt, einer gnadenlosen Inszenierung
beigewohnt zu haben, die jeglichen Grund vermissen läßt, macht
Riedel das diametral entgegengesetzte. Sein Blick ist warm und mitfühlend.
Man spürt in jedem Moment die Sympathie, die er den Menschen und ihrem
Leben entgegenbringt. Und dieses Leben mag für manchen weißgott
einer Hölle gleichsehen, in seiner Monotonie und Ereignislosigkeit.
Wenn der Willi, für die letzten paar Wochen umgetopft in eine andere
Werkhalle, hilflos vor den unbekannten Maschinen kapituliert, wird deutlich,
was die Reduzierung des Menschen auf wenige, immergleiche Handgriffe anrichtet.
In den Händen eines anderen, weniger einfühlsamen, Filmemachers,
hätte "Nachtschicht" ein depressives, dunkles Machwerk werden können.
Doch bei Riedel sind die Menschen vor der Kamera immer sie selbst, mit allen
Facetten. Da gibt es wunderbare Momente. Etwa wenn Ernsti und ein alkoholisierter
Kollege ein bayerisches Ständchen zum Besten geben. Oder wenn Willi,
dessen Frau schon vor Jahren durchgebrannt ist, davon erzählt, wie er
sich seinen Pudel vorstellt, den er sich im Ruhestand zulegen wird. Er soll
elegant daherschweben, möglichst drei Farben zu einem
außergewöhnlichen Äußeren verschmelzen. Wenn es dann
Zeit ist zum Abschied nehmen, von den Kollegen, an der zur
Frühstückstafel umfunktionierten Werkbank inmitten der dröhnenden
Maschinen, geschieht das ähnlich unspektakulär wie alles davor.
Es ist eben wie es ist, auch eine Haltung, und in manchen Lebenssituationen
nicht die schlechteste.
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