"Nakta(dul)" ist das cineastische Hardcore-Programm. Der in
schwarz-weiß und mit Digicam gefilmte südkoreanische Spielfilm
dauert 90 Minuten, von denen er weite Strecken mit jeweils einer langen
Einstellung bestreitet. Die Geschichte, die er erzählt, ist, als Geschichte,
aufs Wesentliche reduziert. Ein Mann und eine Frau, beide um die vierzig,
haben sich, nach einigen nur sporadischen Begegnungen in der Apotheke der
Frau, für einen gemeinsamen Wochenendausflug verabredet. Der Mann holt
sie am Bahnhof ab, sie gehen gemeinsam essen. Zwanzig Minuten lang unterhalten
sie sich über höchst banale Dinge, ihren Job als Apothekerin, seine
Kopfschmerzen, Freunde, das Essen, während die Kamera stoisch und ganz
langsam immer wieder hin- und herschwenkt. Von ihm zu ihr, von ihr zu ihm.
Da sitzt man dann und ist sich nicht sicher, ob es vielleicht für den
Rest des Films so weiter geht.
Die Antwort ist: ja und nein. Mit einem Schnitt auf das Aquarium des
Restaurants ist das Essen beendet. Die beiden begeben sich in eine Karaoke-Bar
und mitten im Gesang, der die beiden in trostloser Einsamkeit vereint, beugt
er sich zu ihr und küsst sie. Nach anfänglichem Widerstand gibt
sie nach, sie fahren in ein Hotel. Hier folgen zwei schmerzlich lange
Einstellungen von atemberaubender Konsequenz: beide aus Untersicht und einiger
Distanz. Die erste zeigt das unendlich lang scheinende Vorspiel auf dem Bett,
die zweite dann, aus einer etwas anderen Perspektive, den eigentlichen
Geschlechtsakt. Es ist, als wären einem die Augenlider abgeschnitten:
man muss hinsehen, obwohl man nicht möchte, man muss die Intimität
der Figuren teilen, obwohl man sie nicht kennt. Eine sehr schmerzliche
Obszönität. Danach, eine weitere lange Einstellung, essen sie auf
dem Zimmer etwas. Das Schmatzen, das fast emotionslose Sprechen, der Blick
in die Gesichter, den man nicht abwenden kann.
Der faszinierende Widerspruch, dem "Nakta(dul)" so unendlich viel
Raum und Zeit gibt: man sieht alles und erfährt doch fast nichts. Nicht,
was diese Figuren umtreibt, außer der resignierten Traurigkeit, der
ihre Begegnung abgetrotzt scheint. Wie sie aber zueinander stehen, was sie
vom Verhalten des anderen halten, das verbleibt im Raum totaler Ambiguität.
Sie sprechen miteinander, aber das hat nicht mehr zu bedeuten als einfach
nur das. Eine Sprache ohne Expressivität, in Bildern, die nichts erlauben,
was einem das Kino sonst aufzwingt: Einfühlung, Identifikation,
psychologische Motivierungen. "Nakta(dul)" legt eine dicke durchsichtige
Eisschicht vor die Leinwand, zwingt sich dem Betrachter auf, gerade indem
er ihn zu nichts zwingt als dem nackten Blick auf Geschehnisse, deren Abbildung
eingeschrieben ist, dass sie nicht für ihn bestimmt sind.
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