What do you think you are & why? So die Schrift an
der Wand, im Schaufenster, vor dem der Film seinen Protagonisten fixiert,
den Hörer der Telefonzelle am Ohr. Eine Gewissensfrage, die für
den größten Teil des Films dann ein wenig vehementer gestellt
wird. Denn, unglaublich aber wahr: mitten in New York und am hellichten Tag
erhält Stu Shepard einen Anruf seines Gewissens und kann nicht anders
als rangehen. Und da das Gewissen schwer bewaffnet ist und unsichtbar in
einem der hohen Häuser um ihn herum, kann er nicht auflegen, muss sich
anhören, was das Gewissen zu sagen hat. Dieses ganze Arrangement, das
auf eine Beichte hinausläuft, die Beichte eines Mannes, der im Grunde
wenig zu beichten hat, ist so haarsträubend puritanisch, dass man sich
schon wieder fragen muss, ob Drehbuchautor Larry Cohen damit nicht vielleicht
virulente Puritanismen auf die Schippe nehmen will. (Vermutlich aber ist
das ernst gemeint.)
Eigentlich aber, auch wenn derjenige, der das am wenigsten verstanden
hat, Regisseur Joel Schumacher ist, geht es um die Arretierung der Figur
in der Telefonzelle, am einen Ort, für die längste Zeit des Films.
Ein Dialogfilm, ein bisschen wie "Mein Essen mit André", nur unter
etwas anderen Voraussetzungen. Der Diskurs, der hier geübt wird, ist
nicht ganz herrschaftsfrei und verzweigt sich dann in genretypische Aushandlungen
mit den - das Gewissen hat, um zu zeigen, dass es ihm ernst ist, gemordet
- angerückten Polizeikräften, unter Anschluss wohlfeiler, aber
zum Glück nicht forcierter Medienkritik. Schumacher freilich lässt
nichts unversucht, die großartig unplausible Vorgabe des Buchs zu
unterminieren. Schnipselt kleine Simultanbildchen ins große Bild,
zerfällt die Einheit des Orts in Split Screens (die im übrigen
seit "24" wieder auf dem Vormarsch sind, dort aber, von "Timecode" her, als
ausdrückliche Markierung von Simultaneität ihren Sinn haben) und
sieht sich von einem gedankenfreien Bebilderungsdrang genötigt, auch
noch Szenen in verfremdetem Filmmaterial einzuspielen, von denen nur die
Rede ist. Ganz überflüssig, reines Geklapper dummer
Drehbuch-Motivierungs-Lehre, auch die Exposition, die den verkommenen Charakter
des Helden, mit dem wir fiebern, mit dessen Läuterung wir uns identifizieren
sollen, vorführt.
Das Drehbuch ist originell, aber in Maßen. Es ist eine sehr
richtige Entscheidung, der Stimme, als der des Gewissens (oder Gottes, egal),
bis fast zuletzt kein Gesicht und keinen genauen Ort zu geben, sie auch in
einen ortlosen akustischen Vordergrund zu mischen. Andererseits gewinnt man
den Eindruck, dass die möglichen Variationen im Umgang mit der Situation
einfach nur episodisch abgehandelt werden, rasch aneinandergeflickt, um die
Löcher im Plot immer wieder notdürftig zu verstellen. Eine halbe
Sache also; als ganze hätte sie das Potenzial gehabt, großartig
zu sein.
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