Danis Tanovic: No Man's Land (Bosnien 2002)

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Danis Tanovic: No Man's Land (Bosnien 2002)

 

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Danis Tanovic: No Man's Land (Bosnien 2002)
Kritik v
on Dagmar Trüpschuch

 [Image]

„Weil ich ein Gewehr habe und du nicht“ - so einfach lassen sich Machtverhältnisse schaffen - und wieder verlieren - zumindest im Krieg. Diese Erfahrung müssen 1993 im Bosnienkrieg zwei junge Männer machen. In einem Schützengraben zwischen den Fronten, im so genannten Niemandsland, treffen sie aufeinander: der Serbe Nino (Rene Bitorajac) und der Bosnier Ciki (Branko Djuric). Beide jung, beide verletzt an Körper und Seele. Verbittert stehen sie sich gegenüber - wollen überleben - versuchen zaghafte Annäherungen - um sich gleich darauf wieder voller Misstrauen zu beobachten. Sie spielen das Spiel vom starken und vom schwachen Mann, von Macht und Ohnmacht - und wechseln sich ab in ihren Rollen.

Ihr Konflikt spitzt sich zu, als der Bosnier Cera (Filip Sovagovic) - im Kampf um den Schützengraben von feindlicher Seite verletzt - aus seinem Koma erwacht. Die Serben hatten ihn für tot gehalten - und seinen Körper vermint. Nur die kleinste Bewegung - und niemand von den Dreien wird den Schützengraben je lebend verlassen. Es gibt nur eine Möglichkeit zu überleben: die Bombe unter Cera muss entschärft werden…

Mit „No man’s land“ ist dem Regisseur Danis Tanovic, der auch für Drehbuch, Musik und Dialoge verantwortlich ist, ein hervorragender Spielfilm über Grauen und Unsinnigkeit von Kriegen gelungen. Weit entfernt von klassischen Kriegsfilmen präsentiert er sein kleines Meisterwerk ruhig, ohne großes kriegerisches TamTam und BumBum, wie Bombardements und kämpfende Supermänner.

Filmmusik wird äußerst dezent eingesetzt, die Spannung liegt in der Ruhe, manchmal nur akzentuiert durch die Geräusche einer herumbrummenden Fliege. „Der Krieg ist eine Geistesverfassung“ erklärt Tanovic in einem Interview mit Jean-Marie Charuau. „Es ist nicht der Lärm der feuernden Waffen oder die Propellerflügel eines Helikopters direkt über den Köpfen… der Krieg, das ist vor allem das, was man im Kopf hat, wenn man ihn erlebt,…“

Die Kamera von Walter Vanden Ende fängt Bilder von romantischen Sonnenaufgängen und verwundeten oder getöteten Soldaten ein - daraus entstehen Bildkompositionen voller Kontraste und Disharmonien - das Mittel zum Zweck, um die Disharmonie zu dokumentieren, die ein Krieg in sich schon birgt.

Herausgekommen ist ein kammerspielartiger Film, eine Kriegssatire - zynisch, komödiantisch, tragisch - ein intensiver Film, weil er tief in menschliche Abgründe schauen lässt und vorführt, was der Krieg aus und mit Menschen macht. Gerechtfertigt sind die vielen Preise - insgesamt 10 Auszeichnungen hochkarätiger Festivals -, die der Film für sich verbuchen kann, wie z.B. in Cannes 2001 für das beste Drehbuch. Die höchste Auszeichnung erhielt er jedoch 2002 - den Oscar in der Kategorie: bester ausländischer Film.

Selber Bosnier, war Tanovic vier Jahre lang als Dokumentarfilmer an der Front tätig. „Krieg ist etwas, mit dem man sehr selten in seinem Leben konfrontiert wird…In einem solchen Kontext muss man entweder fliehen, sich verstecken oder sich entscheiden zu kämpfen. Ich habe entschieden, mich zu engagieren.“ Und so zog Tanovic an die Front und drehte Tag um Tag Bilder von Krieg und Verderben. Vier Jahre lang. Im März 1994 verließ er Sarajevo, kurz nachdem die Serben die großen Massaker auf dem Marktplatz begangen hatten. „Ich war erschöpft“, erzählt Tanovic. „Ich wog höchstens 60 Kilo. Und außerdem hatte ich genug.“ Einladungen in die USA und ein Stipendium in Deutschland schlug er aus, um in Belgien die Filmschule INSAS zu besuchen. Hier führte er sein Studium, das er vor Kriegsbeginn in Sarajevo begonnen hatte, fort - und er wandte sich wieder seiner Leidenschaft zu - der Fiktion. „Wenn es keinen Krieg gegeben hätte, hätte ich meinen ersten Spielfilm schon vor acht Jahren gedreht“, sagt er

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass sich Tanovics erster Spielfilm mit dem Thema des Bosnienkrieges auseinandersetzt. Sein Anliegen ist, eine Geschichte darüber zu erzählen, was in Bosnien wirklich passiert ist. Obwohl es eine räumlich begrenzte Geschichte ist - sie spielt hauptsächlich im Schützengraben - spielen alle Akteure, die am Krieg maßgeblich beteiligt waren, mit: Bosnier, Serben, UN-Soldaten und die unvermeidliche Medienmeute. Und jeder führt seinen Kampf an eigener Front: der Bosnier für die Bosnischen Rechte und sein Leben, der Serbe für den Sieg und sein Leben, die UN für ihr Ansehen und die Medienleute um Auflage und Einschaltquoten.

Einzig der UN-Sergeant Soft (Simon Callow) stellt sich gegen seine Vorgesetzten und verwehrt den Kampf um unlautere Ziele. Er übernimmt nicht gewünschte Initiative, denn „nichts zu tun, ist Partei ergreifen“ - und dessen ist er müde. Doch auch Soft kann die drohende Eskalation der Situation nicht mehr aufhalten - zu zerstörerisch ist der Krieg in den Köpfen und Seelen der Männer.

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