Weil ich ein Gewehr habe und du nicht - so einfach
lassen sich Machtverhältnisse schaffen - und wieder verlieren - zumindest
im Krieg. Diese Erfahrung müssen 1993 im Bosnienkrieg zwei junge
Männer machen. In einem Schützengraben zwischen den Fronten, im
so genannten Niemandsland, treffen sie aufeinander: der Serbe Nino (Rene
Bitorajac) und der Bosnier Ciki (Branko Djuric). Beide jung, beide verletzt
an Körper und Seele. Verbittert stehen sie sich gegenüber - wollen
überleben - versuchen zaghafte Annäherungen - um sich gleich darauf
wieder voller Misstrauen zu beobachten. Sie spielen das Spiel vom starken
und vom schwachen Mann, von Macht und Ohnmacht - und wechseln sich ab in
ihren Rollen.
Ihr Konflikt spitzt sich zu, als der Bosnier Cera (Filip Sovagovic)
- im Kampf um den Schützengraben von feindlicher Seite verletzt - aus
seinem Koma erwacht. Die Serben hatten ihn für tot gehalten - und seinen
Körper vermint. Nur die kleinste Bewegung - und niemand von den Dreien
wird den Schützengraben je lebend verlassen. Es gibt nur eine
Möglichkeit zu überleben: die Bombe unter Cera muss entschärft
werden
Mit No mans land ist dem Regisseur Danis Tanovic,
der auch für Drehbuch, Musik und Dialoge verantwortlich ist, ein
hervorragender Spielfilm über Grauen und Unsinnigkeit von Kriegen gelungen.
Weit entfernt von klassischen Kriegsfilmen präsentiert er sein kleines
Meisterwerk ruhig, ohne großes kriegerisches TamTam und BumBum, wie
Bombardements und kämpfende Supermänner.
Filmmusik wird äußerst dezent eingesetzt, die Spannung
liegt in der Ruhe, manchmal nur akzentuiert durch die Geräusche einer
herumbrummenden Fliege. Der Krieg ist eine Geistesverfassung
erklärt Tanovic in einem Interview mit Jean-Marie Charuau. Es
ist nicht der Lärm der feuernden Waffen oder die Propellerflügel
eines Helikopters direkt über den Köpfen
der Krieg, das ist
vor allem das, was man im Kopf hat, wenn man ihn erlebt,
Die Kamera von Walter Vanden Ende fängt Bilder von romantischen
Sonnenaufgängen und verwundeten oder getöteten Soldaten ein - daraus
entstehen Bildkompositionen voller Kontraste und Disharmonien - das Mittel
zum Zweck, um die Disharmonie zu dokumentieren, die ein Krieg in sich schon
birgt.
Herausgekommen ist ein kammerspielartiger Film, eine Kriegssatire
- zynisch, komödiantisch, tragisch - ein intensiver Film, weil er tief
in menschliche Abgründe schauen lässt und vorführt, was der
Krieg aus und mit Menschen macht. Gerechtfertigt sind die vielen Preise -
insgesamt 10 Auszeichnungen hochkarätiger Festivals -, die der Film
für sich verbuchen kann, wie z.B. in Cannes 2001 für das beste
Drehbuch. Die höchste Auszeichnung erhielt er jedoch 2002 - den Oscar
in der Kategorie: bester ausländischer Film.
Selber Bosnier, war Tanovic vier Jahre lang als Dokumentarfilmer an
der Front tätig. Krieg ist etwas, mit dem man sehr selten in seinem
Leben konfrontiert wird
In einem solchen Kontext muss man entweder fliehen,
sich verstecken oder sich entscheiden zu kämpfen. Ich habe entschieden,
mich zu engagieren. Und so zog Tanovic an die Front und drehte Tag
um Tag Bilder von Krieg und Verderben. Vier Jahre lang. Im März 1994
verließ er Sarajevo, kurz nachdem die Serben die großen Massaker
auf dem Marktplatz begangen hatten. Ich war erschöpft,
erzählt Tanovic. Ich wog höchstens 60 Kilo. Und außerdem
hatte ich genug. Einladungen in die USA und ein Stipendium in Deutschland
schlug er aus, um in Belgien die Filmschule INSAS zu besuchen. Hier führte
er sein Studium, das er vor Kriegsbeginn in Sarajevo begonnen hatte, fort
- und er wandte sich wieder seiner Leidenschaft zu - der Fiktion. Wenn
es keinen Krieg gegeben hätte, hätte ich meinen ersten Spielfilm
schon vor acht Jahren gedreht, sagt er
Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass
sich Tanovics erster Spielfilm mit dem Thema des Bosnienkrieges auseinandersetzt.
Sein Anliegen ist, eine Geschichte darüber zu erzählen, was in
Bosnien wirklich passiert ist. Obwohl es eine räumlich begrenzte Geschichte
ist - sie spielt hauptsächlich im Schützengraben - spielen alle
Akteure, die am Krieg maßgeblich beteiligt waren, mit: Bosnier, Serben,
UN-Soldaten und die unvermeidliche Medienmeute. Und jeder führt seinen
Kampf an eigener Front: der Bosnier für die Bosnischen Rechte und sein
Leben, der Serbe für den Sieg und sein Leben, die UN für ihr Ansehen
und die Medienleute um Auflage und Einschaltquoten.
Einzig der UN-Sergeant Soft (Simon Callow) stellt sich gegen seine
Vorgesetzten und verwehrt den Kampf um unlautere Ziele. Er übernimmt
nicht gewünschte Initiative, denn nichts zu tun, ist Partei
ergreifen - und dessen ist er müde. Doch auch Soft kann die drohende
Eskalation der Situation nicht mehr aufhalten - zu zerstörerisch ist
der Krieg in den Köpfen und Seelen der Männer.
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