Die Prioritäten, die David Fincher in am Anfang seines Films
zu setzen scheint, versprechen viel mehr, als "Panic Room" am Ende halten
wird: der Hauptdarsteller ist ein Haus, der wichtigste Nebendarsteller die
Kamera, die das Haus als Raum erst vorführt und in der Vorführung
konstituiert. Freilich gibt es auch Darsteller und da beginnt das Problem.
Die ersten Minuten des Films sind ganz wunderbar. Schon der Vorspann pflegt
ein eigenwilliges Setzungsverhältnis zum Raum. Die Kamera schwebt durch
Manhattan, die Credits ragen als dreidimensionale Digitalmassive in die
Gebäudesphäre New Yorks hinein, verschmelzen perspektivisch mit
Stahl und Beton. Aus dem Raum, den der Vorspann eröffnet, aus der "Stadt",
dem "Freien", zieht sich der Film dann aber ganz entschieden zurück,
in den Schauplatz, den die ersten Bilder ausführlich vorstellen: ein
altes Brownstone-Haus mitten in Manhatten, drei Stockwerke, große
Räume, darin, als Kern und Zentrum, der "Panic Room", der
unzugängliche Rückzugsort, die Verdopplung und Apotheose des "Innen",
das das Haus selbst schon darstellt. Nichts als ein Fantasma,
natürlich.
Wie bei Brian DePalma, der seine Kamera gerne die Allgegenwart
träumen, den Widerstand der Materie gering schätzen lässt,
blickt für uns die Kamera einen fantasmatischen, prothetischen,
unmöglichen Blick, fährt in digital gefaketen Plansequenzen durch
Wände, von einem Stockwerk ins andere, nach Belieben. Diese
Durchdringlichkeit spiegelt sich hinüber in die (allerdings statischen)
Videobilder, die die Überwachungskameras in den Panic Room übertragen
- und sie kontrastiert zur totalen Abgeschlossenheit des Raums selbst (allerdings
wird sich die vermeintliche Autonomie als ziemlich löchrig erweisen).
Damit aber ist alles, was den Film interessant scheinen lässt, schon
beschrieben. Mühsam wird der Bild- und Kameraraum "Haus" zum Handlungsraum,
nun, hier muss man leider sagen: entwertet, das Drehbuch lässt zwei
(instabile) Dreiergruppen gegeneinander antreten, und zwar im Kampf um den
Panic Room, in den aus plausibilisierungstechnischen Gründen noch einmal
ein McGuffin hineingedoppelt wird. Die eine Gruppe ist die erst auf Mutter
und Kind reduzierte, dann um den eigentlich an eine andere Frau verlorenen
Vater notdürftig (das Notdürftige bekommt vor allem der Vater selbst
sogleich am eigenen Leib zu spüren) wieder vervollständigte
Kleinfamilie. Der Gegner ist ein Trio von Einbrechern, unterschiedlichen
Charakters und unterschiedlicher Motivation. Völlig
unerklärlicherweise verschwendet das Buch wenig Zeit mit der
Einführung von Mutter und Kind, viel zu viel aber für die
enervierend irrelevante Psychodynamik der Gangsterbande.
Es ist, als vergäße der Film nach und nach das Gesetz,
nach dem er angetreten war: Visualisierung des Raums, Aufladung von Orten,
Gegeneinander von Innen und Außen, das alles zwingend zusammengehalten
von der verselbständigten Kamera. Stattdessen mündet er in einen
überaus konventionellen Thrillerplot, der alle Spannung inkompetent
zwischen den Beteiligten zerreibt. Ein kurzes Bravourstück gibt es noch,
es treibt jedoch ohne rechte Anbindung in der zweiten Filmhälfte: einen
kurzen Ausbruch Jodie Fosters aus dem Panic Room führt Fincher in Zeitlupe
und mit extrem dumpfem Ton vor, als wollte er die üblichen inszenatorischen
Spannungsstrategien durch die Dehnung der Wahrnehmung und die Verfremdung
der Tonspur ad absurdum führen. Rasch aber, viel zu rasch trotz der
Endlosigkeit dieses Moments, findet der Film dann zurück in die
(überraschend) überraschungsfreie Konvention, auf die er alles
in allem, leider, hinauswill.
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