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Pleasant-
ville
USA 1998
Regie: Gary Ross
Mit Tobey Maguire, Jeff Daniels, William H. Macy, Joan Allen, J.T.
Walsh |
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KRITIK
Erzählungen vom Nonkonformismus haben (lange
schon) ihre Konventionen und konterkarieren sich dadurch allzu leicht selbst.
Das Nonkonforme liegt, lernt man daraus, weniger oder kaum in den wohlfeilen
Botschaften vom Wert des Unangepaßten (das ist, wie in vielen Passagen
etwa 'Der Club der toten Dichter', peinlich), sondern in den hübschen
kleinen Ideen, die das konventionsselige Publikum immer wieder einzig richtig
auf dem falschen Fuß erwischen. Den gängigen Topoi des Nonkonformen
gilt es zu entgehen, und nichts ist schwerer, natürlich.
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'Pleasantville' ist eine
Erlösungsgeschichte, die Fabel von der Rettung einer ganzen mikrokosmischen
Gesellschaft aus erstickender Unschuld. Die Erzählung vom Virus des
Hedonismus, der alle simplen Moralen infiziert, und zwar, das ist so erfreulich,
durchaus, neben dem Spaß, der hier mit Sex ziemlich identisch ist,
mit Komplexität und Offenheit. 'Pleasantville', auf den ersten Blick
die idealtypische amerikanische 50er-Jahre Soap-Inszenierung, läßt
sich dabei mit etwas Mühe als das freundlichkeitsversessene und ungeschminkt
konformistische Cheerleader-Gegenwarts-Amerika lesen. Freilich ist der Film
pessimistisch (oder eskapistisch) genug, hier keine direkte Attacke zu reiten,
sondern einen leichteren Gegner zu wählen und seine beiden
erlösungsbedürftigen Teenager am vereinfachten Modell 'Pleasantville'
lernen zu lassen - und er wird damit zugleich Metapher seiner selbst und
Modell der erwünschten Rezeption. Das hat seine Logik, deren Reiz aber
vor allem in ihrer Verzwicktheit liegt.
Der Film plädiert dafür das Paradies
aufzugeben, das ein Paradies schwarz-weißer Einfachheit ist, die aber,
im Gegensatz zum Beispiel zum allgegenwärtigen Spielberg-Entwurf, als
Vereinfachung denunziert wird. Die Farbe, die mit den Verstößen
gegen die Regeln der Selbstverständlichkeit ins Spiel kommt, konnotiert
den Verlust der Unschuld und Geregeltheit als lustvollen Gewinn - von
Schwierigkeiten. Ein wunderbares Beispiel ist der von Jeff Daniels gespielte
Fast-Food-Verkäufer, der den Maler in sich ent- deckt, und zwar anhand
von überwiegend halbabstrakter Kunst der Moderne. Das ist, unter den
Verhält- nissen stets auf größtmögliche Harmlosigkeit
und Allgemeinverständlichkeit zielender Hollywood-Chiffren (deren Einsatz
zum Beispiel 'Good Will Hunting' so lächerlich macht), geradezu
sensationell. 'Pleasantville' wird aus einem Zustand der Regression erlöst
direkt hinein in den Geisteszustand der Zurechnungsfähig- keit, der
in heutigen Hollywoodfilmen gerade die Ausnahme ist. Wo die üblichen
Happy-Endings die, sei es amouröse, sei es familiale Regression als
momentanen Wiedergewinn des Paradieses feiern, stiftet 'Pleasantville'
sympathische semiotische Verwirrung: das Paradies ist öde und farblos,
der Biß vom Apfel, der Beginn der Erkenntnis macht das Leben erst farbig
und lebenswert.
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Die Ideologie des Films ist ein liberaler
pädagogischer Reformismus (in der eben auch wieder sehr amerikanischen
Tradition eines Deweyschen Pragmatismus): weder gibt es die große
Umwälzung, die Metapher dafür ist die optisch wunderschöne
sukzessive Kolorierung von 'Pleasantville', noch gibt es den Wunsch oder
die Möglichkeit des planen Entkommens aus dem falschen Leben (man denke
an die Türen, die sich, wenn auch ambivalent, in der 'Truman Show' oder
in 'Dark City' öffnen auf ein Dahinter). Hier und jetzt gilt es die
Veränderung anzupacken. Das basiert auf einer optimistischen Anthropologie,
die in einer Szene vor Gericht, als dem Ort diskursiver Überzeugbarkeit,
klar dargelegt wird: in seinem Inneren ist der Mensch, und zwar: jeder Mensch,
noch der verstockteste, reformierbar und rückführbar auf
Übereinstimmung mit sich selbst, also jene Authentizität, auf die
es ankommt, weil sie der Königsweg heraus aus gedankenlosem Konformismus
ist, hinein in einen offenen Horizont der Geschichte und der
Veränderbarkeit. Man kann dem Film vorwerfen, daß das wiederum
eine allzu simplifizierende Auffassung ist, und man sollte es auch. Und doch
bleibt der Film sympathisch - was nicht zuletzt an den vielen kleinen Ideen
liegt, die mit Feuer und Katzen und Sex zu tun haben, einem (sehr sanft)
anarchischen Humor, der alle großen Sinnstiftungen immer wieder
unterläuft. 'Pleasantville' ist ein angenehmer Film und, alles in allem,
auch gar nicht dumm.
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