Was waren das noch Zeiten; die siebziger Jahre, in denen Norman
Jewison seine SF-Vision einer "gewaltfreien" Gesellschaft mit einer langen
Einstellung eröffnete: eine Arena, die Ruhe vor dem Sturm, darüber
Bachs Toccata. Rollerball war zwar ein schwerfälliges Ungeheuer
von einem Film, aber eben auch ein Meilenstein des Genres; allemal interessant
genug, um gespannt sein zu dürfen, was man mit diesem Stoff im digitalen
Zeitalter anstellen würde. Das Ergebnis, und man muss es in diesem Fall
so krass ausdrücken, ist eine Katastrophe. Ärgerlich, chauvinistisch,
dämlich und zur großen Überraschung vor allen Dingen unfassbar
dilettantisch.
Von der ursprünglichen Handlung ist nicht viel übrig geblieben
bei dieser holprigen Farce. Das Spiel, natürlich; jedoch begnügte
man sich nicht mit der, durchaus als unterhaltsam vorstellbaren, kruden,
motorisierten, berollschuhtenVariante von American Football im Velodrom,
sondern entschied sich für eine Art menschliches Pinball, bei dem die
Spieler über Rampen und durch Röhren schießen. Das ganze
ist derart saft- und kraftlos inszeniert, dass man sich im Musical "Starlight
Express" wähnt und einem die Füsse einschlafen. Was noch? Die
Hauptfigur: Jonathan, damals ein nachdenklicher James Caan, heute ein Keanu
Reeves Verschnitt (Chris Klein), der auf der "Überholspur" lebt und
das Schicksal aller Freaks teilt: er lebt in ständiger Angst vor dem
Staatsapparat, speziell der spassmordenden Polizei. Was tun? Einfach! Er
folgt dem Ruf eines Freundes ins unzivilisierte Zentralasien, um dort als
Profi beim Rollerball anzuheuern, das mittels Pay-per-View weltweit für
Einschaltquoten im zweistelligen Bereich sorgt. Drei Monate später:
Jonathan ist plötzlich der größte Rollerballspieler aller
Zeiten. Um die Quoten stabil zu halten, lässt sich der allgegenwärtige
Teambesitzer Petrovich (Jean Reno) allerlei Tricks einfallen. Prinzip: Je
blutiger, desto besser. Und blutig wird's. Es macht nicht wirklich Sinn weiter
auszuholen - am Ende, nach ein paar Verfolgungsjagden durch desolate Städte
und ungeteerte Pisten, kommt es zur Konfrontation zwischen Petrovich und
Jonathan.
Schlimm an diesem Film ist nicht etwa der bei vergleichbaren Produktionen
übliche us-amerikanische Chauvinismus, bei dem alle Nichtamerikaner
wahlweise wie kleine Kinder herumalbern oder gewissenlos für Blutorgien
sorgen; daran hat man sich gewöhnt. Schlimm ist auch nicht die Verlogenheit,
mit der man Zustände anprangert, deren man sich offensichtlich bedient.
Auch daran hat man sich gewöhnt. Schlimm ist, dass ein Rohschnitt in
die Kinos kommt. Dass McTiernan dafür die volle Verantwortung zu tragen
hat, ist kaum vorstellbar. Es gibt nicht eine Szene, die wirklich funktioniert.
Geschwindigkeit und Dynamik, sowohl in der Rollerball-Arena als auch ausserhalb,
wird ausschließlich behauptet; die Bilder sprechen eine andere Sprache.
Wenn Jonathan mit unglaublichen 120 mph über eine Sandpiste fegt, erinnert
sein Motorrad an ein Mofa. Dialogpassagen wirken nachsynchronisiert, auf
der Tonspur ist permanente Dröhnung angesagt, rasante Schnittfolgen
à la Oliver Stone enden in schöner Regelmäßigkeit
im Fiasko. Als es endlich zum finalen Showdown kommt, ist man längst
entnervt oder hoffentlich bereits in der Kneipe.
zur Jump Cut Startseite
|