Ein Kinderspiel. Zwei Freundinnen, Jae-Young und Yeo-Jin, vielleicht
sechzehn, beste Freundinnen oder vielleicht mehr. Sie planen eine Reise nach
Europa, sie brauchen Geld, Jae-Young prostituiert sich, Yeo-Jin managt das
ganze, Männer, die junge Mädchen suchen, gibt es genug. Von der
Schule ins Hotel, im Hotel ins Bett mit den Männern und stets hat Jae-Young
ein Lächeln auf den Lippen, während Yeo-Jin unten Schmiere steht.
Ihr ist nicht wohl bei der Sache, sie ist eifersüchtig, Jae-Young Sympathie
für ihre Freier ist ihr unheimlich. Dann geht es schief. Yeo-Jin
übersieht die Polizei, Jae-Young springt aus dem Fenster und kurz darauf
ist sie tot. Ende des ersten Teils und der zweite beginnt damit, dass Yeo-Jin
in einem verzweifelten Akt der Wiederholung, die das Geschehene
rückgängig machen soll, die Männer aufsucht, mit denen Jae-Young
geschlafen hat. Sie schläft mit ihnen, sie gibt ihnen das Geld zurück.
Ein Lächeln auf den Lippen. Ein Kinderspiel.
Mit einem Blick auf eine blutige Leiche wechselt die Perspektive.
Blut wird zum Leitmotiv des nun Folgenden. Den Blick wirft der Vater, der
Polizist ist. Zufällig fällt dieser Blick, derselbe Blick in gewisser
Weise, aus dem Fenster, in ein Hotelmzimmer, er sieht seine Tochter in den
Armen eines Freiers. Er wird nicht mit seiner Tochter darüber sprechen,
bis zum Ende nicht. Stattdessen wacht er über sie, ganz wie er ihr jeden
Morgen, um sie zu wecken, die Kopfhörer aufsetzt und sanfte Musik anstellt.
Er ist ein liebevoller Vater, der zum Rächer wird, der handeln muss,
weil er keine Worte hat, der sich verletzt, um seine Tochter zu retten. Deutlich
die religiösen Konnotationen, auf der Fahrt zur Schule erzählt
der Vater Wundergeschichten. Eine Gruppe Kinder, die sich im Wald verlief,
sie sahen Maria und in fielen in den Schlaf. Im Schlaf aber hatten sie eine
schreckliche Vision vom Ende der Welt.
Auch Yeo-Jin wird einen schrecklichen Traum haben, am Ende. Vater
und Tochter fahren zum Grab der Mutter, sie sprechen kaum ein Wort, vor allem
nicht über das, was geschehen ist. Eine Pilgerfahrt, eine Bußfahrt.
Kim Ki-duk erzählt das nüchtern, in Naturbildern, rückt seinen
Figuren nicht zu nahe und unternimmt nichts, die Traumatisierungen seiner
Figuren ins Pathos der Überwältigung zu übersetzen. Er urteilt
nicht, nicht über die Tochter, nicht über den Vater, die sich in
einen moralisch nicht mehr aufzulösenden Konflikt aus Verzweiflung,
Schuld und Wiedergutmachung verstricken. Aber er kennt Gnade und Erlösung
für seine verlorenen Seelen.
Noch einmal ein Perspektivwechsel kurz vor dem Ende, im Moment,
in dem die schlimmste Wendung ausbleibt. Eine Totale aus weiter Entfernung,
Yeo-Jin am Ufer eines Flusses, kaum noch erkennbar. Schnitt: Ein Blick aus
noch weiterer Ferne. Wer hier blickt, ist ein christlicher Gott, sein Blick
ist ein barmherziger. Und siehe: Es war gut.
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