Steven Shainberg: Secretary  (USA 2003)

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Steven Shainberg: Secretary  (USA 2003)

 

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Steven Shainberg: Secretary  (USA 2003)
Kritik v
on Ulrike Mattern

 

"Pain, Pleasure, Guilt"*

Lee ist eine sichtlich gut gelaunte Sekretärin. Sie schlendert aus der Kaffeeküche zum Schreibtisch ihres Chefs. Hebt da ein Papier auf. Rückt dort eine Kleinigkeit zurecht. Nur die hinter ihrem Rücken auf Armhöhe befestigte Spreizstange, an der ihre Hände gefesselt sind, passt nicht zum Interieur.

Von der Lust am Schmerz und dem Bedürfnis zur Demütigung handelt "Secretary", der zweite Spielfilm des amerikanischen Regisseurs Steven Shainberg. Lee verletzt sich gern selbst. In ihrem Beauty-case befinden sich statt Kamm und Kosmetika Messer und Schere, mit denen sie sich Wunden zufügt. Eines Tages schneidet sie zu tief. Ihre Eltern - der Vater ein Trinker, die Mutter mit einer Neigung zur Hysterie - bewerten dies als Selbstmordversuch. Sie weisen ihre Tochter in die Psychiatrie ein.

Nach der Therapie sucht Lee einen Job als Sekretärin - und findet ihren Meister, den Anwalt Edward Grey (der Softie als Sadist: James Spader). Der Orchideenliebhaber sitzt in einem in dunklen Rottönen gehaltenen Büro, das wie ein plüschiges Boudoir wirkt. Er stellt Lee als Tippse ein, deren Schreibfehler er mit grausamer Genugtuung rot einkreist und hinter einem Glasrahmen im Flur aufhängt. Die frisch gebackene Sekretärin findet Gefallen an den erst verbalen, später körperlichen Züchtigungen.

Das Tabu-Thema Sadomasochismus ist populär. In der Ausstellung "Phantom der Lust" in Graz konnte man bis Ende August "Visionen des Masochismus in der Kunst" entdecken. Der Grazer Leopold von Sacher-Masoch führte dieses Thema im 19. Jh. in die Literatur ein. Selbstaufgabe in der Sexualität wird oft als Perversion stigmatisiert. In der Kunst, Literatur und Philosophie beschäftigte man sich seit jeher intensiv mit dem Phänomen. Im Kino unterliegen S/M-Spiele höchstens der persönlichen Selbstzensur durch den Betrachter oder staatlichem Regulativ. In der Grazer Ausstellung sah man Filmzitate aus "Verführung: Die grausame Frau" von Elfi Mikesch und Monika Treut sowie unter anderem Filmplakate von "Der Nachtportier","Belle de Jour" und "Der diskrete Charme der Bourgeoise".

Dass er keine Scheu vor Grenzüberschreitungen hat, zeigte der amerikanische Schauspieler James Spader dagegen schon mehrfach. Für seine Darstellung als impotenter Voyeur in Steven Soderberghs "Sex, Lügen und Video" wurde er 1989 in Cannes ausgezeichnet. 1996 schockierte er in David Cronenbergs "Crash" als Werbefilmer, der sich durch bewusst initiierte Autounfällen zum Orgasmus bringt. Seitdem fiel er weder aus der Rolle noch durch spannende Filme auf. Seine Zusammenarbeit mit Keanu Reeves in dem Thriller "The Watcher" (2000) oder mit Jeff Daniels in dem "Traffic"-Verschnitt "I Witness" (2003) blieb Dutzendware.

Umso erfreulicher ist jetzt sein Comback mit dem abgründig komischen Film "Secretary" an der Seite einer ebenbürtigen Maggie Gyllenhaal, die für die feinsinnigen Nuancen in ihrer Darstellung einer devoten Frau für den Golden Globe nominiert wurde. Der Film heimste u.a. einen Spezialpreis der Jury auf dem Sundance Filmfestival sowie den Independent Spirit Award für das Beste Drehbuch ein.

*Titel von Fotografien zum Thema von Salla Tykkä

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