Filmkritik Sabiha Sumar: Silent Waters (Pakistan/F/D 2003)

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Sabiha Sumar: Silent Waters (Pakistan/F/D 2003)

 

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Sabiha Sumar: Silent Waters (Pakistan/F/D 2003)
Kritik v
on Stefan Höltgen

 [Image]

Liebe in Zeiten des Hasses

Silent Waters beginnt als schöner Film. Er spielt 1979 in Pakistan: Der junge Saleem, der nach dem Tod seines Vaters von seiner Mutter Ayesha allein erzogen wird, ist verliebt in Zubeida. Sie neckt ihn und zeigt sich selbstbestimmt: Nach Islamabad will sie, studieren und Saleem soll mitkommen. Im kleinen Ort Charkhi ist nämlich die einzige Perspektive für Saleem: Bauer werden. Als jedoch eines Tages zwei muslimische Agitatoren nach Charkhi kommen, ändert sich das. Viele junge Männer schließen sich ihnen und ihrer Forderungen nach einem Gottesstaat an. Sie fordern, dass der bislang gemäßigt praktizierte Islam endlich radikal ausgeführt wird. Dazu gehört, dass sich die Frauen verhüllen und dass die Jahr für Jahr aus dem Nachbarland Indien zu ihren heiligen Stätten in Charkhi pilgernden Sikh ihren (Un)Glauben nicht mehr öffentlich praktizieren dürfen. Saleem schließt sich den Eiferern an, nachdem ihn ein Freund gegen die Emanzipationsbestrebungen Zubeidas aufgestachelt hat. Zuerst erschöpft sich der Radikalismus der jungen Leute darin, Reden zu halten und zu hören. Doch als überall im Land die Anstrengungen für eine Revolution laufen, verändert sich auch das Leben in Charkhi. Diese Veränderung gipelt schließlich in Unterdürckung und Gewalt, als die Sikh in den Ort kommen und Saleems Mutter Ayesha von ihrer "ungläubigen" Vergangenheit eingeholt wird.

Silent Waters ist eine französisch-deutsch-pakistanische Koproduktion und der erste pakistanische Spielfilm von einer Frau. Die Regisseurin Sabiha Sumar hatte ursprünglich einen Dokumentation über die Frauenverschleppungen im Jahr 1947, als sich Pakistan vom indischen Subkontinent abtrennte, im Sinn. Zeitzeugen, die zudem offen vor der Kamera über die Morde, Vergewaltigungen und Verschleppungen im Namen der (männlichen) Ehre berichten wollten, waren jedoch nicht zu finden. So entschloss sich Sumar einen Spielfilm zu drehen, der im Kern von der wahren Geschichte handelt und dessen Hauptfigur Ayesha auf der Vergangenheit einer Zeitzeugin beruht.

Der Film beginnt in Harmonie. Die Lebensfreude, Freundlichkeit und Unbeschwertheit der Existenz in Charkhi erweckt den Eindruck, dass es ewig so weiter gehen könnte. Dass es aber nicht ewig so weiter gehen kann, suggerieren jedoch bald die immer wieder eingeblendeten Traumbilder Ayeshas aus ihrer Kindheit im Jahr 1947, die zwei fliehende Frauen und einen Brunnen zeigen. Dieser Brunnen, am Rande Charkhis ist es, in dem die meisten Frauen des Ortes gezwungen wurden, sich selbst zu ertränken, damit sie den muslimischen Besatzern nicht in die Hände fallen und die Familie entehren. Einzig Ayesha ist nicht gesprungen, wurde von einem Moslem gerettet, geheiratet und hütet seitdem ihr Geheimnis.

Der Film schildert die Radikalität und die Katastrophe die die Islamisierung Pakistans für die Menschen, vor allem für die Frauen, bedeutete, schonungslos und mit allen Konsequenzen. Im Namen des Glaubens werden Menschen bedroht, verletzt und verjagt. Die Art und Weise, mit der die islamistischen Agitatoren ihren Hass in Charkhi verbreiten, beschwören Bilder und Erinnerungen an die kommunistischen Kulturrevolutionen und die Nazifizierung Deutschlands herauf. Von Fremdenhass über Nationalismus, Chauvinismus bis hin zur Aufstachelung der Kinder gegen ihre Eltern warten die muslimischen Missionare mit allen Mitteln auf. Ziel soll der Gottesstaat sein; Opfer sind vor allem die Frauen.

Dass von dieser Politisierung des Alltagslebens (und dass die Gründung des Gottesstaates ein politisches und kein religiöses Vorhaben ist, daran lässt der Film keine Zweifel) sämtliche Bereiche der sozialen Wirklichkeit betroffen sind, beschreibt Silent Waters eindringlich. Er erzählt seine Geschichte auf vier Ebenen: von der des Staates über die des Ortes und die der Familie bis hin zur Liebesgeschichte zwischen Saleem und Zubeida, die natürlich keine Zukunft hat. Stille Wasser sind tief - Silent Waters endet als schrecklicher Film.

Silent Waters

(Khamosh Pani, Pakistan 2003)

Buch & Regie: Sabiha Sumar

Kamera: Ralph Netzer; Musik: Madan Gopal Singh & Arshad Mahmud; Schnitt: Bettina Böhler

Darsteller: Kirron Kher, Aamir Malik, Arshad Mahmud, Salma Shahid u. a.

Verleih: academy films

Länge: 99 min.

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