Peter Parker ist kein Superheld, im Gegenteil. Als
Naturwissenschaftsgenie beinahe ein Nerd, der angehimmelten Nachbarstochter
rennt er denn auch allzu schüchtern schon lange hinterher. Dass ihn
die Spinne beißt, dass er erst zum Muskel-, dann zum Spinnenmann wird,
dass er, als solcher, wenn nicht die Welt, so doch immer wieder diesen und
jenen rettet, ist ein Traum, den die Zielgruppe immer schon träumt.
Archetypisch auch die Familienverhältnisse: er wird geliebt, aber seine
Eltern sind nicht seine Eltern, sondern Onkel und Tante, ein leiser Riss
also von Anbeginn in der jugendlichen Identitätskonstruktion, eine
Selbstfindungsstory.
Einige Zeit lässt sich der Film damit, erst mal alle Sympathien
der Jungs da draußen auf Parker zu ziehen, um sie dann, im Kampf gegen
den Grünen Kobold, seine Kampfkraft mit der ihren identifikatorisch
verwechseln zu lassen. Man muss aber sagen, dass das Drehbuch und die Regie
das höchst charmant eingerichtet haben, mit viel Witz und Selbstironie,
für eine Comic-Verfilmung zunächst auch atemberaubend realistisch
(atmosphärisch nahe dran beinahe am totalen Gegenentwurf "Ghost
World").
Der eigentlich geniale Schachzug ist die Besetzung der Hauptfigur
mit dem Milchgesicht Tobey Maguire, der der fast bis ans Ende währenden
Verdutzung des Helden über das, was ihm geschieht, ohne dass er recht
weiß, wie ihm geschieht, wunderbar Ausdruck verleiht. So gibt's nicht
wirklich eine Kluft zwischen Peter Parker und Spider-Man, noch als Held ist
er einer von uns. Willem Dafoe als Green Goblin bleibt dagegen, der Spaltung
seiner Persönlichkeit zum Trotz, recht blass, ganz und gar ein
Comic-Bösewicht, da hilft auch das Jekyll-und-Hyde-Virtuosentum vor
dem Spiegel nicht viel.
Die zweite Hälfte zehrt von der ersten, aber das Fundament, das
man mit der Liebesgeschichte und mit der als Pubertätsmetapher vom Film
schon selbst gedeuteten, als psychologisches Motiv stets mitgeführten
Erstarkung zum Spinnenmann gelegt hat, trägt bis ans Ende und passt
erstaunlich gut hinein in die Comic-Spektakelwelt, die der Film spätestens
mit der grandiosen World-Unity-Day- Inszenierung am nun ganz deutlich in
Science-Fiction-Manier verfremdeten Times Square betritt. Überhaupt
ist "Spider-Man" ein Blockbuster von der Machart, die nur Hollywood hinkriegt:
Ironie und Ernst schließen sich dabei so wenig aus wie
Sentimentalität und grandios gedachte (und auch sehr gut gemachte) Special
Effects. Der Film reimt sich das alles zusammen, als wär nichts dabei.
Schon darum ist er aller Ehren wert.
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