Tattoo - Das grauenvolle Geschäft mit der
gestochenen Haut
Eine nackte Frau im Drogenrausch irrt auf offener Straße durch
die Berliner Nacht. Die Haut am Rücken wurde ihr abgezogen. Plötzlich,
auf einer Kreuzung, wird sie mit einem lauten Knall frontal von einem LKW
erfasst. Der gerät aus der Spur, fährt in parkende Autos und
explodiert.
In jüngster Vergangenheit hat wohl kaum ein deutscher Film seinen
Zuschauern zum Auftakt ein solch furioses Versprechen gegeben. Doch es ist
ein Versprechen für einen abgründigen und obsessiven Thriller,
das der Regiedebütant und ehemalige Tatort-Autor Robert
Schwentke nur bedingt einlösen kann.
Was der Film sein möchte, ist offensichtlich. Die Parallelen
zu einem der besten Filme des Genres, Sieben, sind
unübersehbar. Die Staatsgewalt ermittelt auch hier in der Konstellation
junger, unerfahrener Polizist (hervorragend: August Diehl) mit desillusioniertem,
knochenhartem und traumatisiertem Kommissar (Christian Redl). Sie sind hinter
einem Killer her, der seinen Opfern erst die Haut abzieht und sie dann brutal
ermordet.
Auch visuell orientiert sich Tattoo an seinem großen
Hollywood-Vorbild. Schwentke inszeniert Berlin als dunklen Moloch über
dem eine lichtundurchlässige Wolkendecke liegt. Eine konsequent finster
stilisierte Metropole, fast in schwarz-weiß, in der sich so
verdächtige Gestalten bewegen wie die Galeristin Maya Kroner (Nadeshda
Brennicke). Die bleibt aber, besonders im Vergleich zu den brüchigen
Persönlichkeiten der Polizisten, eine urbane Klischeefigur - aus designtem
Plastik mit der peinlich prätentiösen Beschränkung auf einen
Gesichtsausdruck.
Was hier überrascht ist, dass der vermeintliche Killer bereits
nach einer ersten Verfolgungsjagd mit August Diehl stirbt. Diehl wird dabei
mit seiner Waffe zum erschreckend hilflosen Instrument seines Gegenübers.
Ein schmerzvoller Augenblick, der Tattoo vom Pfad eines soliden
Thrillers abbringt und die Schwächen des unentschlossenen Drehbuchs
offenlegt. Es soll sich mehr hinter den grausamen Taten verbergen als bloße
Mordlust: Eine Tattoo-Mafia ist hinter den gestochenen Werken eines
Meistertätowierers her. Damit wird aus einer konkreten, personalisierten
Bedrohung, die für einen Thriller unverzichtbar ist, eine unbekannte
Gefahr, deren wahre Identität aber erschreckend offensichtlich ist.
Tattoo verspielt letztlich mit dem Wagnis, sich den
Thrillerkonventionen zu versperren, inhaltlich alles, was die weitgehend
sehenswerte Inszenierung schafft. Zwar schwillt die Spannung
regelmäßig wieder an, kulminiert dann aber zu oft in leeren
Schockmomenten. Tattoo entpuppt sich so als Mogelpackung, unter
dessen stilisierter Haut nur ein aufgeblähter Krimi-Plot liegt.
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