Lynn Hershmans "Teknolust" gehört einer Spezies Film an,
die man immer wieder ausgestorben glaubt, für die ein Leben außerhalb
des Festivalbetriebs nicht vorstellbar ist, und die dennoch Jahr für
Jahr aufs neue produziert werden. Immer stellt man sich in so einem Fall
die Frage, mit wessen Geld das ganze bezahlt wurde, und meist verschafft
ein Blick auf den Abspann, vorausgesetzt man hat so lange ausgeharrt, Klarheit.
Nicht selten tauchen dort vertraute Namen auf. Aber gut, über Geschmack
läßt sich bekanntlich streiten. Fakt ist, dass Lynn Hershman die
Handlung lediglich als Trägermaterial für existentielle Fragen,
philosophisch angedachtes oder (meist) bemüht konstruiertes dient. Sie
interessiert sich nur am Rand für ihre Figuren, denn ihr Kino ist ein
anderes: zitierend, ironisierend, immer auf ausreichend Abstand bedacht,
in seinen besten Momenten auch dekonstruierend. Die Oberfläche ist hip,
mächtig durchgestylt und nimmt derart großen Raum ein, dass die
Vermutung aufkommt, man habe bei der Auswahl des Sujets vor allem auf eine
hohe Designverträglichkeit geachtet.
Die Geschichte ist kurz erzählt: Rosetta Stone, Bio-Genetikerin,
entwickelt aus ihrer eigenen DNA mit Unterstützung eines Computerprogramms
drei Klone (Ruby, Marine und Olive). Um zu überleben müssen die
Klone Injektionen männlicher Spermien erhalten, die Ruby auf ihren
Streifzügen durch die Nacht besorgt. Durch Rubys Kontakt zur Außenwelt
und die Beziehung zwischen ihr und dem Nachbarn Sandy wird sie zunehmend
eigenständiger. Angetrieben von Neugier und Verlangen ziehen Marine
und Olive nach.
Klingt eigentlich ganz spannend, könnte man sich auch schön
trashig vorstellen, erinnert in seiner Haltung auch ansatzweise an New Yorker
Undergroundfilme der frühen Achziger (was Antistruktur und einen
gezügelten Anarchismus anbelangt). Auch Punk Rock Fanzines und deren
wilde Fotostorys kommen einem in den Sinn, Debbie Harry als junges Glamourgirl
hätte Rosetta Stone verkörpern können, was wäre das wohl
geworden? Der Underground von dem hier die Rede ist, ist aber lange tot und
hier scheint mir das Problem zu liegen. "Teknolust wirkt in jeder Szene
hoffnungslos überkommen, bis zur Schmerzgrenze, wenn das Leben,
draußen, mit Ausstellungs- und Konzertbesuchen gleichgesetzt wird.
Konsequenterweise besteht der Film dann auch, neben einer sich auch noch
der unverfänglichsten Melodramatik entziehenden Leere, die durch die
formale Geschlossenheit noch unterstützt wird, im Kern aus der Sehnsucht
nach Abgrenzung (wieder die 80er). Das ist doppelt verwunderlich, da im Film
wiederholt Szenen eingestreut werden, die sich explizit damit beschäftigen
und ganz dreist das Gegenteil behaupten. Kein Zufall, dass gerade diese Szenen
im Ton herausfallen und merkwürdig platt wirken. Ein Kunstverständnis
wird freigelegt, dass im konservativen Sinn bei dem bleibt, was man kennt
und überprüfbar ist. Tilta Swintons Spiel ist in seiner
Künstlichkeit die Entsprechung dessen und durch ihr faszinierendes,
androgynes Äußeres die Idealbesetzung für dieses Konzept.
Sie ist hauptverantwortlich dafür, dass man sich trotz allem für
die Bilder interessiert. Beneiden um diesen Kraftakt möchte man sie
dennoch nicht.
Thomas Reuthebuch
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Ich möchte nicht den Film verteidigen, sondern seine Ästhetik.
Von Gedanken auszugehen und nicht von der Handlung, von Versatzstücken
und nicht einem drehbuchdramaturgischen Ganzen, in dem sich ein homogener
Spielraum psychologischer Kontinuität herstellt, ist das Konzept von
Teknolust. Film kommt hier von Kunst und nicht von Kino, gewiss, aber das
bringt neben der Kopfgeburten meist eigenen Prätention gerade Freiheit
von den Zumutungen der realistischen Konvention. Nur müsste man solche
Freiräume auch nutzen - an der Konsequenz, die dazu nötig ist und
die etwa Hal Hartley in seinem artverwandten, wenig geliebten
Henry Fool aufbringt, fehlt
es Hershman dann leider.
Das liegt daran, dass sie, scheint's, mit ihrer Künstlichkeit
zuletzt auf Natürlichkeit hinauswill, welch Widersinn. Vom Ende her
wird das Klon-Projekt Rosetta Stones, einer altjüngferlichen Karikatur
der weltfremden Wissenschaftlerin, mit allem Ernst, der in den mitunter ganz
schön schlechten Scherzen des Films steckt, lesbar als verschobene Sehnsucht
nach sexueller Zweisamkeit, vulgo Liebe. Ihr eigenes Begehren wird verschoben
auf den Ruby-Klon, der auszieht, die Männer um ihren Samen zu erleichtern;
Nachschub für die X-Chromosomen-hungrigen Menschmaschinen mit den
extralangen Fingernägeln. Ins Spiel gebracht wird ein Zoo von weiteren
Figuren: ein Nerd, der das Kopieren von Flugblättern als schöne
Kunst betrachtet, eine Detektivin namens Dirty Dick, von Karen Black mit
schöner Würdelosigkeit gespielt und der Polizist, dem ein Pflaster
durchs Gesicht wandert. Hinaus läuft's auf Herstellung meist heterosexueller
Paare und die Erweckung zum wahren Gefühl. Hier fügen sich die
zuvor bloß wie wahllos über die stilisierte Oberfläche
streunenden Puzzle-Teilchen zur Geschichte, zur Botschaft zusammen. Man kann
nur hoffen, dass auch darin noch eine Ironie steckt, sichtbar wird sie nicht.
Und natürlich ist Ironie als letzte Hoffnung von Verzweiflung so weit
nicht entfernt.
Ekkehard Knörer
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