Die Guillotine ist in "Final Cut" ein Schnittgerät ganz eigener
Art. An ihr komponiert der Cutter die schönsten Momente eines Lebens,
wenn es vorbei ist, zum Erinnerungsfilm. Die Science-Fiction-Prämisse,
im Grunde die einzige des Films: Das Zoe-Implantat, das, bei der Geburt
eingesetzt, alles aufzeichnet, was sein Träger sieht und hört.
Eine winzig kleine Videokamera mit terabytegroßer Festplatte also,
die beim Tod entnommen wird. Der Cutter, der den "Final Cut" zusammenstellt,
sieht das ganze Leben des Verstorbenen, wählt die schönsten Momente
und wird zum Regisseur eines Films, der als "Rememory" bei der Beerdigung
vorgespielt wird. In einem kleinen Kinosaal, Licht aus, Film an und
natürlich gilt: de mortuis nil nisi bene.
Das ist eine höchst viel versprechende Prämisse, die Fragen
der Moral, der Regie, der Biografie, der totalen Überwachung und vor
allem nach objektivem und subjektivem Erinnern stellt. Was in der Evidenz
der Implantatbilder nämlich gelöscht wird, ist nichts anderes als
das Fehlerinnern, das Umschreiben und Vergessen, das das menschliche
Gedächtnis ausmacht. Was sich aus dieser Prämisse noch nicht zwingend
ergibt - und das ist die grundsätzliche Crux des Konzept-Genres Science
Fiction -, ist eine Geschichte. Die hat der junge Autor und Regisseur Omar
Naim um seinen Einfall herumerfunden, ohne sich entscheiden zu können
oder zu wollen, ob es nun ein Thriller sein soll oder die persönliche
Geschichte des aufrechten Cutters Alan Hackman oder eine grundsätzlichere
Explikation der moralischen Probleme, die ein Aufzeichnungs-Implantat mit
sich bringt.
Unglücklicherweise findet sich nun von allem etwas in "The Final
Cut" - und nichts davon wird überzeugend entfaltet. Alan Hackman, den
Robin Williams im weinerlichen Modus spielt, nicht im komischen, ist der
Cutter für die harten Fälle, Verbrecher aller Art, weil er Gnade
kennt und ein Regisseur ist, der das Leben schönt. Er aber wird selbst
geplagt von einer traumatischen Erinnerung aus seiner Kindheit. Das ist der
Drama-Strang. Und er wird beauftragt, das "Rememory" des verstorbenen
Gründers der Implantatfirma zusammenzustellen. Daraus wird der
Thriller-Strang. Dazu kommt ein Romantik-Strang, in dem Mira Sorvino eine
gute, wenngleich, leider, völlig überflüssige Figur macht.
Die ethischen Fragen finden sich in allen drei Abteilungen behandelt, jedoch
in keiner konsequent.
Der Film springt nun in seinem Fortgang von einem Strang zum anderen,
die Übergänge bleiben holprig und im besten Fall kondensiert das
Durcheinander zu einem überzeugenden Bild. Wenn etwa Alan Hackman an
seiner Guillotine in den Film eines Lebens eintaucht und aus einer
Splitscreen-Orgie aus Einzelbildern ein Bild herausspringt mit Hackman an
seinem Edelholz-Schneidetisch, grundlos, wirklichkeitslos, vor den Bildern
schwebend, im Bild und nicht im Bild zugleich. Sogleich aber stürzt
Naims Film zurück in die Konventionen, mit denen er seine Grundidee
immer wieder auf den Boden Hollywoods zurückholt. Und tut er es nicht,
dann tut es die Musik von Bryan Tyler. Sie springt in jede interessante
Lücke, die der Film hier und da lässt und streicht sie zu.
Hanebüchen buchstabiert sie nach und vor, was ohnehin zu sehen ist.
Eine traurige Demonstration, alles in allem, wie man in Hollywood eine
interessante Idee zugrunde richtet.
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