Henry James ist ein Autor, der sich in seinen Spätwerken
der Verfilmung entschieden versperrt, da ihm der da Plot immer nur von Worten
und nichts als Worten umrankter Anlass ist für ein endlos subtiles Wenn
und Aber möglicher Gedanken, denkbaren Verhaltens, die Feinstanalyse
der Charaktere, das Vor und Zurück der Interpretation des Geschehens
und des Nicht-Geschehens, das Verfließen der Grenzen zwischen beidem.
In den späten Romanen von James - und "The Golden Bowl" ist da
paradigmatisch - nimmt die "Beschreibung" überhand über das
Beschriebene, feste Bilder von den Figuren lösen sich ebenso auf, oder
genauer: verschwimmen in einer Zone der Überdetermination, wie die
"eigentlichen" Motive, die Verhältnisse der Figuren zueinander.
Das lässt sich filmisch kaum nachstellen. Experimente wären
denkbar, aber damit haben die wackeren Literaturverfilmer James Ivory (Regie),
Ismail Merchant (Produktion) und Ruth Prawer Jhabvala (Buch) noch nie etwas
zu tun haben wollen. Also gehen sie den einfachsten Weg, stutzen das Buch
zurück auf die Figurenkonstellation, lösen sie heraus aus dem,
was den späten James gerade ausmacht, und setzen sie ins liebevoll
arrangierte historische Dekor. Selbstverständlich werden sie dadurch
der Vorlage nicht gerecht und selbstverständlich kann das Ergebnis einer
solchen Vorgehensweise nicht mehr sein als ganz nett anzusehen. Das aber
ist der Film, über weite Strecken wenigstens. Die Konstellation ist
auf den ersten Blick so symmetrisch wie simpel: Charlotte und Amerigo sind
ein Liebespaar ohne Geld, also muss Amerigo reich heiraten, und zwar Maggie,
die diesem in kaum zertrennlicher familialer Liebe verbundene Tochter des
amerikanischen Milliardärs Adam Verver. Charlotte hingegen, die mit
Maggie befreundet ist - ohne dass diese jedoch um das einstige Verhältnis
von Charlotte und Amerigo wüsste -, ehelicht Maggies Vater. Es kommt,
wie es kommen muss: Charlotte versteht es, die alte Liebe neu zu entfachen
und so die Verhältnisse zwischen allen Beteiligten maßlos zu
komplizieren.
James Ivory spielt das als gediegenes, elegant, aber unauffällig
inszeniertes Schauspielertheater einfach durch, hat ein wenig vom Jamesschen
Witz, auch der ungerührten Bösartigkeit seiner Menschenbeobachtung
in seinen Film hinübergerettet, alle Sentimentalisierung zu verhindern
gewusst, ebenso wie eindeutige Sympathielenkung (keine der Figuren
ermöglicht es einem, hier wie in der Vorlage, sie uneingeschränkt
zu mögen). Die Auflösung von James' umwegiger
Andeutungspsychologie in vergleichsweise explizite Dialoge ist vielleicht
unvermeidlich, man wird das kaum über eine
Off-Erzählerstimme einfangen können. Etwas überdeutlich vielleicht
die Hereinmontage von Schwarzweißaufnahmen vom Beginn des
amerikanischen Jahrhunderts. Einzig völlig überflüssig
ist ein hinzu erfundener melodramatischer historischer Auftakt. Kein Film,
der einen viel klüger macht, keiner, der einen sonderlich engagiert.
Natürlich kann man, wenn man Lust hat, erbost sein ob des Biedersinns,
mit dem sich die Beteiligten hier über James hergemacht haben. In seinen
eigenen, recht engen Grenzen aber ist "The Golden Bowl" durchaus
gelungen.
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